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: Richtiges Berlinisch

In jeden Haushalt gehört ein Exemplar von Walter Kiaulehns „Richtigem Berliner“, der jetzt wieder als Taschenbuch vorliegt. Vor allem in die zahlreichen Haushalte der Zugereisten in Berlin, die glauben, durch möglichst zahlreiche Verwendung von „ick“ und „dette“ und dergleichen die ersehnte Kiez-Credibility erwerben zu können. Die Bundesregierung sollte allen Beamten, die in den nächsten Jahren hierher umziehen werden, einen Kiaulehn in die Umzugskartons schmuggeln.

Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin mit dieser Strategie der sprachlichen Akkulturation selber oft genug aufgelaufen und werde mich ohnehin im Berlinischen weiterbilden müssen, um nicht meine sonst recht günstigen Beziehungen zu einer „richtigen Berlinerin“ zu gefährden, denn nichts kann sie so uffrejen wie die typische Sprachanmaßung der „Westdeutschen“, mögen sie auch schon ein paar Jahre in der Hauptstadt verbracht haben.

Kiaulehns Wörterbuch ist nicht nur ein Nachschlagewerk, sondern eines der seltenen Lexika, in denen man mit Vergnügen lesen kann: „Arbeet, f. Arbeit. Einer, der um Beschäftigung vorspricht: ,Nehm' Se mir doch, Sie jloben ja nich, mit wie wenich Arbeet ick zufrieden bin!‘ Oder: ,Mensch, du suchst woll ooch fertje Arbeet, wat?‘“ „Jejenteil, n. Wird oft unpassend gebraucht, z. B. ,Ham Se nich heute Jeburtstach?‘ ,In Jejenteil!‘“

Es werden unter anderem so schwierige Begriffe wie „knorke“ definiert: „Knorke is zweemal so schnaffte wie dufte.“ Man findet zahlreiche Beweise der dadasophischen Kraft des Berlinischen. So sagt der Einheimische etwa von der flachen Umgebung der Stadt: „Jejend, lauter Jejend, nischt wie Jejend!“ Und das schon im letzten Jahrhundert verbreitete Parodienwesen hat Aphorismen wie den folgenden hervorgebracht, der sicher auch Friedrich Nietzsche gefallen hätte: „Lebe, wie du, wenn du stirbst, / Wünsche, wohl jespeist zu haben.“

Walter Kiaulehn: „Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten“. Beck'sche Reihe 1996, 270 Seiten, 19,80 DM