Gebrochenes Deutsch

Noch bei den kleinsten Nebenwerken von Lars Gustafsson kann man sicher sein, daß man sie nicht zur Seite legen wird, ohne ein paar schöne Aperçus mitzunehmen. In der autobiographischen Plauderei, die er seinen Lesern und der Hanser Verlag ihm jetzt zu seinem sechzigsten Geburtstag spendiert, finden sich zum Beispiel die beiden nachdenkenswerten Gedanken, daß philosophische Probleme Neurosen sind, die uns allen gemeinsam sind, und daß sich unser Verhältnis zu Tieren klärt, wenn man sie als Karikaturen unserer selbst ansieht.

Gustafsson macht um solche Geistesblitze kein Brimborium, er wirft sie seinen Lesern einfach so lässig hin wie jemand, der zu Hause sowieso zu viele davon herumliegen hat.

An dem kleinen Buch wäre genug zu rühmen, ich beschränke mich hier auf die für die deutschen Leser gegenüber der schwedischen Ausgabe ergänzten Episoden aus dem Berlin Anfang der siebziger Jahre. Damals nämlich lebte Gustafsson einige Jahre in Friedenau, und die Nachbarschaft war recht interessant: Johnson, Enzensberger, Frisch, Grass; man saß im „Bundeseck“ und heckte politische Interventionen aus.

Im Herbst 1973 stand eine Erklärung zur bedrohten Meinungsfreiheit in Schweden an. Es war ruchbar geworden, daß die sozialdemokratische Partei Olof Palmes staatliche Geheimdienste zur Gesinnungsschnüffelei in den eigenen Reihen mißbraucht hatte. Also verfaßte Gustafsson eine Resolution, die von den deutschen Promis unterzeichnet werden sollte. Enzensberger: „Ja, Lars, Deutsch ist keine leichte Sprache. Im Prinzip bin ich einverstanden, aber wir müssen das wohl ins Deutsche umschreiben.“ Gustafsson fügte die Änderungen ein und legte Enzensbergers Text Johnson vor, der immerhin befand: „Dein Deutsch kann sich allmählich sehen lassen“ – wenn man von den „sprachlichen Fehlern“ absehe, die er, Johnson, ihm mal eben korrigieren werde. Neuerliches Umschreiben und Vorlage bei Max Frisch, der auch „gerne unterschreiben will“, nur – „dein Deutsch läßt zu wünschen übrig“.

Nachdem Frisch vor allem Johnsons Verbesserungen verbessert hatte, war endlich ein definitiver Text erstellt. Dieses Palimpsest des Engagements würde man zu gerne zu sehen bekommen, mit allen gegenseitigen Strichen und Verbesserungen der Herren Dichter.

Lars Gustafsson: „Palast der Erinnerung“. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Carl Hanser Verlag 1996, 186 Seiten, gebunden, 34 DM