Die Hoffnung ist mit den Positiven im Westen

■ Welt-Aids-Kongreß dokumentierte einige große Erfolge in der Forschung

Vancouver/Berlin (AP/dpa/taz) Zum Abschluß gaben sich in Vancouver Veranstalter wie Wissenschaftler optimistisch: „Die Zeit der deprimierenden Aidskongresse Anfang der 90er Jahre sind vorbei“, formulierte es Michael Schechter, einer der wissenschaftlichen Leiter des elften Welt-Aids- Kongresses. Tatsächlich gab es während des fünftägigen Expertentreffens, an dem 15.000 Wissenschaftler, Sozialarbeiter, HIV-Positive und Aidskranke aus 125 Ländern teilnahmen, viel Positives zu vermelden.

Immense Fortschritte verspricht die Kombination von zum Teil neuen Medikamenten, die den Ausbruch der Immunschwächekrankheit viel länger unterdrücken können, als bisher vorstellbar war. Experten setzen dabei vor allem auf die sogenannten Protease- Hemmer, die das HI-Virus in seiner Entwicklung stärker hemmen als bisher angewandte Mittel. Martin Markowitz vom Aaron- Diamond-Aidsforschungszentrum in New York berichtete sogar, bei neun HIV-Infizierten seien kurze Zeit nach der Behandlung mit der Kombination von drei Medikamenten keine Viren im Blut mehr nachweisbar gewesen. Viele seiner Kollegen halten die Einschätzung, sämtliche vom Virus infizierten Zellen in Lymphknoten, Organen und Gehirnen zerstören zu können, allerdings für übertrieben.

Ebenfalls in Vancouver vorgestellt wurde eine HIV-abtötende Salbe, die Frauen schützen kann. Denn als Hauptrisikogruppe gelten inzwischen nicht mehr Schwule und Fixer, sondern junge Frauen, vor allem in Afrika. Und vor allem in Asien stecken sich nach wie vor viele Männer, die immer noch nicht begriffen haben, daß der einzig wirksame Schutz gegen HIV ein Kondom ist, bei Prostituierten an und infizieren nach ihrer Rückkehr ihre Ehefrauen oder Freundinnen.

Judith Wasserheit von der Obersten US-Gesundheitsbehörde wies außerdem darauf hin, wie stark die Übertragung von HIV mit anderen Geschlechtskrankheiten zusammenhängt: Bei mit Syphilis, Herpes und den Formen des Schankers Infizierten habe es das Virus drei- bis fünfmal leichter als bei Gesunden, in die Blutbahn einzudringen, da die Haut wegen der Geschwüre offen sei. Auch Tripper verdopple das Risiko. In ländlichen Gegenden in Tansania konnte die Rate neuer HIV-Infektionen um 42 Prozent gesenkt werden, nachdem diese Krankheiten systematisch behandelt wurden.

Nach Informationen der Internationalen Aids-Gesellschaft könnte die Zahl der Infektionen von Ungeborenen mit dem Medikament AZT noch weiter zurückgehen. Vor dessen Einsatz wurde den Studien zufolge in den USA jedes fünfte Kind einer HIV-positiven Mutter infiziert. Nun seien es nur noch zehn Prozent.

Trotz all dieser positiven Meldungen wurde jedoch auch deutlich, wie wenig sich Aidspolitik und -forschung einer globalen Antwort auf HIV und Aids annähern. Von den mehr als 21 Millionen HIV-Infizierten auf der Welt leben 93 Prozent in der sogenannten Dritten Welt. In den Ländern südlich der Sahara ist jeder 20. Erwachsene zwischen 15 und 49 von HIV oder Aids betroffen. Ihnen wird mit den meisten der neuen Behandlungsmöglichkeiten nicht geholfen werden, weil schlicht das Geld fehlt. Aidsaktivisten richteten in Vancouver heftige Kritik nicht nur an die Regierungen, sondern auch an die Pharmaindustrie, die ihre Medikamente zu teuer und auf Kosten Todkranker vor allem in den Entwicklungsländern anböten.

Auch das Versagen der internationalen Gemeinschaft, wirksame Vorsorgeprogramme zu finanzieren, wurde erneut deutlich: 1993 wurde gerade ein halbes Prozent der Entwicklungshilfegelder der Industrienationen für Präventionsprogramme ausgegeben. Ein afrikanischer Konferenzteilnehmer zerstörte am Ende der Veranstaltung den Mythos der gemeinsamen Aidspolitik. „Das Motto ,eine Welt, eine Hoffnung‘ ist jenseits der Realität. Für die Entwicklungsländer heißt es ,Dritte Welt – keine Hoffnung‘.“ jgo