■ Ostabgeordnete der CDU wollen Sparpaket kippen
: Aufstand der Zwerge

Was weder 350.000 demonstrierenden Gewerkschaftern noch der Opposition aus SPD, Bündnisgrünen und PDS gelang, wollen nun, glaubt man Wolfgang Dehnel, die 65 ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten in Angriff nehmen. Falls der Bundesrat den Bundestag zu einer neuen Abstimmung über das Sparpaket zwinge, „werden wir dagegenstimmen“, so der sächsische CDU-Abgeordnete. Dies soll geschehen, wenn Kohl nicht auf Kürzung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) im Osten verzichtet.

Daß die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten ein „Machtfaktor“ sind, fällt Dehnel indes reichlich spät ein. Seltsam ist auch, daß die Kürzung der AB- Maßnahmen überhaupt nicht Bestandteil dieses Sparpakets ist. Die Initiative soll also nicht wirklich die Kürzung der Lohnfortzahlung rückgängig machen, sondern lediglich die Ausgangsposition Ost-CDU für die nächste Sparrunde im Herbst verbessern.

Bei ABM geht es im Osten um die Substanz. Über 400.000 Ostdeutsche arbeiten auf dem staatlich finanzierten Arbeits- und Weiterbildungsmarkt. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2000 die AB-Maßnahmen auf Westniveau senken und so 20 Milliarden Mark in Bundeshaushalt einsparen. Jede zweite Stelle würde so wegfallen und die Arbeitslosenquote von jetzt 15 auf fast 20 Prozent hochschnellen.

Arbeitsplätze steht ganz oben auf der Sorgenliste der Ostdeutschen. Schon spekuliert der SPD-Ministerpräsident Stolpe über Straßenblockaden und soziale Unruhen. Die Ost-CDU muß da mithalten. Bislang allerdings endete noch jeder Zwergenaufstand der Blockflöten mit einem Machtwort des Kanzlers oder seiner ostdeutschen Wasserträger. Auch im ABM-Streit hat der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Rainer Eppelmann, die Kompromißlinie längst vorgegeben. Regional differenziert und unter Berücksichtigung der Entwicklung des Arbeitsmarkts soll die Reduzierung des zweiten Arbeitsmarkts in den neuen Bundesländern erfolgen, heißt die verabredete Sprachregelung. Von einer Halbierung der Arbeitslosenquote, wie im Januar von Kanzler Kohl vollmundig versprochen, ist schon lange keine Rede mehr. Christoph Seils