Lachs und Fischpastete für entschlossenes Handeln

■ Landeskriminalamt ehrt einen 29jährigen Türken, der Taschendieb verfolgte

Ein ganz normaler Tag in der Spandauer Altstadt: geschäftige Passanten, dichtes Gedränge in den unzähligen Läden. Abdulvehap Kilic läßt sich am hektischen Treiben jedoch nicht stören. Er döst gemütlich in der Sonne und wird erst aufmerksam, als ein junger Mann neben ihm auf der Bank mit großer Hast eine Herrenhandtasche durchsucht. Kilic wird mißtrauisch und folgt dem Jugendlichen, der in einem Restaurant auf der Toilette verschwindet. Dort verständigt Kilic die Polizei, die den 18jährigen nach kurzer Zeit festnimmt.

Der Mann gesteht, einen 88jährigen Rentner kurz vorher in einem Schuhgeschäft bestohlen zu haben. Kein Einzelfall – in Berlin gab es 1995 rund 29.000 angezeigte Fälle von Taschendiebstahl –, für die Polizei jedoch ein Anlaß, Abdulvehap Kilics Eingreifen besonders zu ehren: Für sein entschlossenes Handeln bekam der 29jährige Türke gestern eine Urkunde und einen prallgefüllten Präsentkorb mit Lachs und Fischpastete. Überreicht wurde ihm dieser von Kriminaloberrat Hartmut Koschny vom Landeskriminalamt, Abteilung Organisierte Kriminalität.

Koschny nahm die gestrige Ehrung zum Anlaß, die Abteilung vorzustellen, die nur Täter verfolgt, die aus Südamerika kommen – der gefaßte 18jährige lebte nämlich in Chile. Denn ähnlich wie die Arbeitsgruppe Jugoslawien oder GUS hat sich auch ein Kommissariat gebildet, das sich mit Straftätern befaßt, die überwiegend aus Peru, Kolumbien und Chile kommen. Sie sind meist Touristen und stehlen, so Koschny, bevorzugt in Hotels, am Flughafen und eben im Gedränge der Geschäfte.

Rund 900 Taschendiebstähle und Trickbetrügereien gingen 1995 nach Angaben Koschnys auf das Konto von Tätern aus Südamerika. 1993 waren es erst 300. Daß deshalb gleich ein eigenes Kommissariat gebildet werden mußte, hält Koschny für gerechtfertigt, denn es handele sich hier um „Bandenkriminalität“. So würden die gestohlenen Wertsachen häufig im Ausland wieder auftauchen. Auch seien Täterverbindungen bis in die USA registriert worden. Für ihn ist es eine „Mentalitätsfrage“, daß gerade südamerikanische Täter häufig Taschendiebstähle begingen oder mit Ablenkungsmänovern arglosen Passanten die Brieftasche aus der Hose ziehen würden. Kriminelle aus dem ehemaligen Jugoslawien, so ist Koschny fest überzeugt, seien eher für's „Grobe“ prädestiniert, Südamerikaner würden schon wegen ihrer Größe und zarteren Figur eher zum Diebstahl neigen. Julia Naumann