■ Wühltisch
: Glanz und Elend der Reklamation

Der schicke neue Toaster mit der Sensortaste funktionierte nicht. Er verbrannte Muffins schon auf mittlerer Stufe und vollzog den automatischen Einzug der Backware nur bei jedem dritten Mal. Gegenseitige Bezichtigungen falscher Bedienung halfen nur kurz. Das Ding mußte zurück. Die Reklamation ist eine der heikelsten Interaktionen im modernen Konsumentenleben. Mit dem Gerät unterm Arm, die Originalverpackung war längst im Müll gelandet, schritten wir an das Verkäuferpult und verlangten Satisfaktion. Das Mißtrauen der Verkäuferin, da könne ja jeder kommen, war dadurch zu beseitigen, daß unser Hochleistungstoaster von Rowenta relativ neu im Sortiment war. Einen ordentlichen Kassenbeleg, unsere Frau hinterm Pult triumphierte, hatten wir nicht vorzuweisen. Mit Genugtuung zückte B. jedoch ihre Kreditkartenabrechnung. Zur Reklamation gehört unbedingt die Vorführung, das unterscheidet vom bloßen Umtausch, bei dem der Kunde von vornherein auf Kulanz angewiesen ist. Die Reklamation ist gewerberechtlich verfaßt, weshalb sie stets einen höchst offiziösen Charakter hat. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich einst eine leckende Milchtüte zurückgebracht habe und dann vergeblich nacheinander – in order of appearance – Verkäuferin, Abteilungsleiter und Geschäftsführer zu überzeugen versuchte, daß die Tüte bereits im Regal Schaden genommen haben mußte. Zur Vorführung funktionierte der Toaster natürlich, was die Verkäuferin einen Kollegen hinzuziehen ließ. Der wußte zu berichten, daß das gleiche Modell schon einmal zurückgebracht worden war, allerdings von einer älteren Kundin, die offenbar mit dem rechten Gebrauch der Sensortaste überfordert war. Zur Reklamation gehört eine gehörige Portion Selbstvertrauen, denn im Handumdrehen wird einem Lebenstüchtigkeit abgesprochen. Es ist außerdem dringend anzuraten, sich vor einem Kauf mit der Organisationsstruktur des jeweiligen Kaufhauses vertraut zu machen. Die Funktionsweise von Umtauschkassen, insbesondere nach Kreditkartenkauf, verlangt buchhalterische Grundkenntnisse und Geduld. Unser Projekt wurde schließlich in beiderseitigem Einvernehmen abgeschlossen. Wir bekamen ein originalverpacktes anderes Modell derselben Ausgabe mit Sensortaste sowie den leicht verschmitzten Verkäuferhinweis, vor Gebrauch die Gebrauchsanweisung aufmerksam zu studieren. Das Verkäufergespann konnte seinerseits darauf beharren, den Deal als freundliches Entgegenkommen verstanden zu wissen. Der restlose Beweis des Geräteversagens war uns schließlich nicht gelungen. Mit dem verpackten Pokal unterm Arm zogen wir schließlich ab. Es gibt freilich Verkaufskulturen, die sich die Reklamation ganz gezielt zu eigen gemacht haben. Da sind zum Beispiel die Beipackzettel zu Pralinen, auf denen man geradezu aufgefordert wird, den Süßkram noch vor Verzehr zurückzuschicken. Der Reklamationsvordruck dient hier als Zeichen der Exklusivität, kann aber in die Abteilung Ungeschick verwiesen werden. Der Slogan „Bei Nichtgefallen Geld zurück“ legt den Verdacht nahe, daß der Handel Tauschwert gegen Gebrauchswert doch irgendwie illusionär bleiben könnte. Ein Lebensmittelhändler in der Provinz warb seinerzeit damit, daß in seinem Geschäft kein Produkt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum zu finden sei. Falls doch, so bekam der Kunde die Ware mit gültigem Datum geschenkt. Hausfrauen und Studenten gingen flugs daran, die Regale umzukrempeln. Das ersparte dem Geschäftsinhaber die Sortierarbeit. Die Inhaberin eines Kinderbekleidungsgeschäfts weiß zu berichten, daß vor Weihnachten gern schicke Stücke zur Auswahl mitgenommen werden. Nach dem Fest kommen die Sachen dann mit leicht angeschmutzten Kragen zurück. Im Reklamationskrieg ist das Eröffnungsrecht einzig auf Seiten des Kunden. Harry Nutt