Keine fette Beute für die Duma

■ Der Russische Föderationsrat schmettert das von der Duma beschlossene Gesetz über die „Beutekunst“ ab

Berlin (dpa/taz) – Deutsche Museumsfachleute, Außenminister Kinkel und Bundeskanzler Kohl können eine Flasche Sekt öffnen: Gegen alle Prognosen stoppte der Russische Föderationsrat gestern mit der Mehrheit von 62 Stimmen das sogenannte Beutekunstgesetz. Nur 44 Abgeordnete stimmten für den umstrittenen Entwurf, 16 enthielten sich. Nominell sind in dem Parlament der Regionen 178 Abgeordnete vertreten. Nach einem vor zehn Tagen von der russischen Duma verabschiedeten Gesetzestext wären sämtliche im Zuge des Zweiten Weltkriegs nach Rußland transferierten Kulturgüter als nachträgliche Reparation für die von Deutschen in Rußland verübten Verwüstungen Eigentum des Landes. Die Duma- Vertreter hatten diesen Beschluß mit einer überwältigenden Mehrheit von 305 Stimmen gefällt, obwohl er dem Völkerrecht und allen deutsch-russischen Verträgen widerspricht.

Vor der gestrigen Abstimmung kam es im Föderationsrat zu einem heftigen Schlagabtausch. Der Vertreter des russischen Präsidenten Boris Jelzin, Anatoli Sliwa, und der des Außenministeriums sprachen sich gegen den Gesetzentwurf aus. Nachdem die Regionenvertretung sich nicht einmal auf die Anrufung einer Vermittlungskommission einigen konnte, wurde die Sitzung unterbrochen.

Der Vertreter des Duma-Kulturausschusses, Nikolai Gubenko, der unter Gorbatschow Kulturminister war, votierte gestern erneut für den umstrittenen Gesetzentwurf. Der jetzt amtierende stellvertretende Kulturminister Michail Schwydkoi erklärte nach der Abstimmung: „Die Forderungen der deutschen Seite nach einer bedingungslosen Rückgabe der Kulturgüter sind unannehmbar.“

Außenminister Kinkel hatte im Vorfeld der Föderationsratsentscheidung „Besorgnis und Bedauern“ geäußert und darauf hingewiesen, daß solch ein Gesetz die gutnachbarlichen Beziehungen belasten könnte. Helmut Kohl hatte kurz darauf die Angelegenheit zu einer Chefsache erklärt. Ob er mit Boris Jelzin deswegen telefonierte, ist unklar und seit gestern auch unerheblich. Die gestrige Abstimmung fiel zu eindeutig gegen die Hardliner von der Duma aus. Gesetzeskraft hätte der Entwurf nur erhalten, wenn auch der Föderationsrat sich mit einer Zweidrittelmehrheit dafür entschieden hätte.

Die Bundesregierung geht davon aus, daß in Rußland noch etwa 200.000 Kunstobjekte, zwei Millionen Bücher und Archivgut von drei Kilometer Länge aus deutschen Museen und Privatsammlungen lagern. Nur von einem Bruchteil davon weiß man seit einigen Jahren, wo sie heute liegen, und noch viel weniger davon ist bis heute öffentlich ausgestellt worden. Die Gespräche in den deutsch-russischen Kommissionen stocken schon seit vielen Monaten. Die gestrige Föderationsentscheidung könnte sie wieder reanimieren. Entsprechend erleichtert zeigten sich auch deutsche Museumsexperten. Anita Kugler