Nichts weniger als eine technische Revolution

■ Der erste olympische Rekord: In Atlanta treten mehr JournalistInnen als SportlerInnen an. Das Medienspektakel kostet „German TV“ 88 Millionen Mark

Jetzt ist es endlich geschafft: Erstmals werden bei den Olympischen Spielen mehr JournalistInnen als SportlerInnen dabeisein. 15.000 : 10.700 lautet das erste Resultat in Altanta. 10.000 der BerichterstatterInnen arbeiten für die elektronischen Medien, ARD und ZDF sind mit ihren 580 MitarbeiterInnen das drittgrößte Nationalteam der Rundfunkschaffenden hinter den USA und Japan. Die Öffentlich-Rechtlichen stellen damit nicht nur einen neuen Olympiarekord auf – die Übertragung der Olympics ist das gigantischste Unternehmen der deutschen Fernsehgeschichte.

Während mit der Planung schon 1992 begonnen wurde, war für die konkrete Aufbau- und Vorbereitungsphase nur drei Wochen Zeit. Das International Broadcasting Center (IBC) ist in „Friedenszeiten“ das Kongreß-Zentrum. „Als wir hier ankamen“, berichtet Produktionsleiter Erik Nacken vom Westdeutschen Rundfunk (WDR), der federführenden ARD-Anstalt, „mußten hier teilweise noch die Wände und Kabelbäume eingezogen werden.“ Nur eine Woche nach der Abschlußfeier wird das ganze Kartenhaus von Bulldozern wieder zusammengeschoben. Doch solange steht auf einer Fläche von 50.000 Quadratmetern „das größte Funkhaus der Welt“, wie Manuel „Manolo“ Romero ohne falsche Bescheidenheit feststellt. Der 63jährige Spanier ist Generalmanager für die Atlanta Olympic Broadcasting Gesellschaft (AOB), einer vom US-Sender NBC dominierten Organisation, die eigens für die Olympischen Spiele gegründet wurde. Das AOB produziert das sogenannte Weltbild, auf das alle Rechte-Inhaber Zugriff haben. Von den 560 Einzelveranstaltungen der 26 Sportarten wird die AOB insgesamt 3.500 Stunden senden, 200 Stunden am Tag. 400 Kameras und 40 Ü-Wagen kommen zum Einsatz, 3.200 Menschen zählt der Stab des AOB. Im IBC, wo alle Bild- und Tonsignale ankommen und abgehen, befinden sich 40 Fernseh- und 120 Hörfunkstudios.

Der ZDF-Szenenbildner entwarf für das deutsche Fernsehstudio eine täuschend echte Skyline von Atlanta, die, wenn es draußen dunkel wird, illuminiert werden kann. Vor diesem Hintergrund produzieren ARD und ZDF abwechselnd ihre Studiosendungen und Magazine. Die Live-Übertragungen beginnen ab 14 Uhr und laufen bis 5.30 Uhr deutscher Zeit. Danach folgen die Zusammenfassungen der Höhepunkte vom olympischen Vortag – für die BerichterstatterInnen bedeutet dies Drei-Schicht-Dienst.

88 Millionen Mark kostet „German TV“ der olympische Spaß, 22 Millionen die Produktionskosten und 66 Millionen die Übertragungsrechte. Wo TV-Leute klotzen, wollen Radiomacher nicht kleckern. Das Hörfunkteam der ARD steigt mit ihrer Olympia- Welle täglich von 19 bis 6 Uhr MEZ ein. „Der Hörfunk ist nach wie vor das schnellste Medium“, sagt Radiochef Manfred Erdenberger, und diesen Vorsprung will der WDR, der die technische Leitung inne hat, noch weiter ausbauen. Nichts weniger als eine technische Revolution wird in Atlanta stattfinden. Das Zauberwort heißt Digitalisierung. Erstmals in der Rundfunkgeschichte wird es keine Bandmaschinen mehr geben, die Töne werden komplett digital in einen Rechner eingespielt. Matthias Kittmann, Atlanta