Zubrot für den Patriarchen

Der Fiskus bevorteilt nur die klassische Hausfrauen-Familie: Alleinerziehende oder berufstätige Mütter müssen steuerliche Nachteile hinnehmen  ■ Von Karin Flothmann

Steuern dienen dem Staat nicht nur zur Finanzierung seiner Ausgaben, mit ihrer Ausgestaltung werden auch politische Ziele verfolgt. Unser Einkommensteuerrecht wurde auch unter Berücksichtigung des Grundgesetzes komponiert: der besondere Schutz der Familie, der dort garantiert ist, sollte sich auch hier wiederfinden. Doch um welche Familie handelt es sich da? Dem konservativen Steuerexperten Heinrich Heyer ist klar, daß nur die „gewünschte Familie im klassischen Sinne“ gemeint sein kann, die Familie, „mit der häuslich-sorgenden Mutter und dem sich draußen plagenden Vater“.

In der Realität stellt sich das etwa so dar: Bernhard Fischer verdient als leitender Angestellter gut 7.000 Mark brutto pro Monat, seine Frau Barbara geht keinem Beruf nach, die Ehe ist kinderlos. Bei der Eingruppierung in eine Steuerklasse hat Bernhard Fischer die Wahl: Bei der Veranlagung nach Steuerklasse IV blieben ihm in diesem Jahr nach Abzug aller Sozialversicherungsbeiträge, des Solidaritätszuschlags und der Steuern netto 3.725 Mark. Doch Bernhard Fischer ist nicht dumm. Er weiß, daß der Staat verheiratete, kinderlose Alleinverdiener besonders gerne fördert und wählt daher die Veranlagung in der Steuerklasse III. Das Ehegattensplitting beschert ihm so monatlich 4.370 Mark netto. Der Staat belohnt Bernhard Fischer also mit 645 Mark pro Monat dafür, daß er mit einer Hausfrau verheiratet ist.

„Patriarchenlohn“ sagt die frühere Ministerialrätin im Bundesfinanzministerium, Annemarie Mennel dazu. Pro Jahr summiert sich dieser Lohn für Bernhard Fischer auf stolze 7.740 Mark. Bei einem Bruttojahresgehalt von 40.000 Mark beträgt er immerhin noch 4.312 Mark, bei einem Einkommen von 120.000 Mark liegt er bei 12.136 Mark.

Aufgrund dieser Bevorzugung der Hausfrauenehe entstanden dem Staat 1993 Kosten in Höhe von 30,6 Milliarden Mark. So weist es zumindest der Sozialbericht von 1993 aus. Merkwürdigerweise wiesen frühere Sozialberichte höhere Steuerausfälle durch das Splittingverfahren aus, 1987 etwa lagen sie bei 34,2 Milliarden Mark. Dazu meint Annemarie Mennel: „Mit diesen offensichtlich unseriösen statistischen Angaben soll anscheinend einer Kritik am Splitting begegnet werden.“ Der Staat erzielt die meisten seiner Einnahmen durch die Einkommensteuer: 1995 summierten sie sich auf 370,8 Milliarden Mark – rund die Hälfte aller Steuereinnahmen stammten damit aus dem Einkommen der Bevölkerung.

Eine enorme Summe, vor allem, wenn man einen Blick auf die Einkommenssituation in Deutschland wirft. Rund ein Drittel aller Haushalte verfügte im April 1995 laut Mikrozensus nur über ein Nettoeinkommen von 1.000 bis 2.500 Mark. 27,6 Prozent der Bevölkerung verdienten netto zwischen 2.500 und 4.000 Mark. Ein knappes Fünftel hatte ein Nettoeinkommen von 4.000 bis 6.000 Mark, nur bei rund zehn Prozent lag das Haushaltseinkommen höher als 6.000 Mark.

Sabine Meierbeer lebt in einem Haushalt mit eher hohem Einkommen. Im Gegensatz zu Barbara Fischer hat sie zwei Kinder und ist wie ihr Mann berufstätig. Netto kommen beide zusammen auf rund 5.000 Mark. Brutto verdient Sabine Meierbeer monatlich 3.000 Mark. Da ihr Mann mehr Geld nach Hause bringt, landet sie in der Steuerklasse V. Allein 840 Mark fallen da als Steuern an. Netto bleiben ihr monatlich nur 1.487 Mark. Die private Betreuung ihrer beiden Kinder kostet etwa genausoviel. Die Berufstätigkeit von Sabine Meierbeer ist teuer erkauft, finanziell hat sie davon nichts. Steuerlich interessant würde es für Sabine Meierbeer erst, wenn sie mehr verdienen könnte. Realistisch ist das allerdings kaum, denn hierzulande liegt das Einkommen von Frauen im Schnitt immer noch 30 Prozent unter dem von Männern.

Das angeblich familienfreundliche Einkommensteuerrecht wird vollends pervertiert, wenn beide Ehepartner etwa gleich viel verdienen und Kinder haben. Denn dann beschert das Ehegattensplitting dem Paar steuerliche Nachteile. Eine Scheidung könnte dem abhelfen. Dann würde der Mutter als Alleinerziehender ein steuerlicher Haushaltsfreibetrag zustehen. Außerdem könnte sie in begrenztem Umfang Kinderbetreuungskosten geltend machen.

Elke Selbers lebt wie die Fischers in einem Zweipersonenhaushalt, und zwar als Alleinerziehende. Diese, so sieht es das Einkommensteuerrecht vor, sollen durch den besonderen Haushaltsfreibetrag in Höhe von 5.616 Mark steuerlich entlastet werden. Doch die alleinerziehende Mutter steht steuerlich am Ende stets schlechter da als ein Alleinverdiener. Brutto verdient Elke Selbers monatlich 2.500 Mark, trotz aller Freibeträge kassiert das Finanzamt davon noch 118,69 Mark an Steuern und Solidaritätszuschlag. Würde Bernhard Fischer ebenfalls nur 2.500 Mark pro Monat nach Hause bringen, so müßte er dafür keinerlei Steuer entrichten. Gesetzt den Fall, Elke Selbers würde das Bruttoeinkommen von Bernhard Fischer in Höhe von 7.000 Mark erzielen, so blieben ihr nach Abzug der Steuern (1.698 Mark) und der Sozialversicherungsbeiträge (1.379 Mark) netto 3.923 Mark pro Monat. Bernhard Fischer kommt auf 450 Mark mehr (4.370 Mark). Er zahlt nur 1.251 Mark Steuern – der „Patriarchenlohn“ macht's möglich.