Wirtschaftlich fataler Effekt

■ Der ABM-Abbau träfe Ostdeutschland im Mark

Die ostdeutsche CDU probt verzweifelt, aber vergeblich den Aufstand, die SPD im Osten sieht bereits soziale Unruhen heraufziehen. Allen Protesten zum Trotz hält die Bundesregierung jedoch an ihren Plänen zum Abbau der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern fest. 1,7 Milliarden Mark will Theo Waigel im Haushalt 1997 bei den ABM-Mitteln in Ostdeutschland sparen.

Die sozialen Folgen wären dramatisch. Rund 400.000 Ostdeutsche sind derzeit in staatlich finanzierten Maßnahmen oder Umschulungen beschäftigt. Fast doppelt so viele profitieren von den arbeitsmarktpolitischen Effekten. Der Fremdenverkehr in den neuen Bundesländern ist zum Beispiel weitgehend von der ABM-finanzierten touristischen Infrastruktur abhängig. Die sozialen Dienstleistungen hängen am Tropf der Bundesanstalt für Arbeit. So mancher Gewerbepark könnte nicht realisiert werden, wenn ABM-Kräfte nicht zuvor die alten Industrieanlagen abreißen würden.

Falls die Bundesregierung an ihren Plänen festhält, wird die Arbeitslosenquote im Osten, so der DGB, auf Dauer doppelt so hoch sein wie im Westen. Ohne ABM betrüge die Arbeitslosenquote zwischen Saßnitz und Annaberg nicht 15, sondern über 25 Prozent. Auch wenn sich viele Ossis in sinnlosen Umschulungen und auf perspektivlosen Arbeitsplätzen langweilen – sozialpolitisch gibt es dazu derzeit keine Alternative.

Denn eine Entspannung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht, von einem selbsttragenden Wirtschaftswachstum kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Erstmals wird in diesem Jahr das Wirtschaftswachstum in den neuen Bundesländern niedriger ausfallen als in den alten. Der ostdeutschen Wirtschaft geht es so schlecht, daß die wirtschaftlichen Effekte der Nachfragesteigerung durch AB-Maßnahmen größtenteils verpuffen. Und: Die neuen Bundesländer sind so exportabhängig, daß ein Großteil der auf diesem Wege in den Osten gepumpten Subventionen umgehend wieder in die alten Bundesländer zurückfließen. Nicht der Abbau von ABM-Stellen wäre angesagt, sondern die Entwicklung neuer Ideen für den zweiten Arbeitsmarkt. Sonst droht der Osten auf Dauer von der wirtschaftlichen Entwicklung des Westens abgekoppelt zu werden. Christoph Seils