„Finanzminister schauen nicht so genau hin“

■ Vorsitzender der Steuergewerkschaft kritisiert schlecht ausgestattete Steuerfahndung

Dieter Ondracek ist Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, der 74.000 BeamtInnen und Angestellte der deutschen Finanzverwaltungen angehören.

taz: Herr Ondracek, die Steuerfahndung in Bayern ist völlig unterbesetzt. Ist der Freistaat ein Einzelfall?

Ondracek: Nein, das schlechteste Land ist Baden-Württemberg; bezeichnenderweise haben die mit Steffi Graf ja auch den spektakulärsten Fall vorzuweisen. Dort müßte es nach offiziellen Berechnungen 307 Steuerfahnder geben, doch in Wirklichkeit sind es nur 133. Das zweitschlechteste Bundesland ist tatsächlich Bayern; Nordrhein- Westfalen steht vergleichsweise gut da: Dort sollte es 479 Steuerfahnder geben, in Wirklichkeit sind es 410.

Zwei konservativ regierte Länder als Schlußlichter, ein sozialdemokratisches Land an der Spitze – kann man das politisch deuten?

Das könnte man, obwohl es von den Finanzministern der Länder natürlich heftig bestritten wird – übrigens steht auch das Saarland in der Statistik schlecht da. Aber ich weiß aus Gesprächen mit den Finanzministern, daß sie ihren Wirtschaftsstandort stärken wollen und deshalb bei der Steuerfahndung nicht so genau hinschauen. Außerdem gibt es bei den Einnahmen aus der Steuerfahndung einen Konstruktionsfehler: Alles, was ein Bundesland dadurch kassiert, fließt in den Topf des Länderfinanzausgleichs. Wenn ein Bundesland wie Bayern im Finanzausgleich sowieso an die anderen Länder zahlt, dann verringert das den Anreiz, etwas für die Fahndung zu unternehmen.

Wie sieht es denn in anderen Staaten aus?

In Frankreich gibt es im Parlament mehrere Anfragen, um die Steuerfahndung zu verbessern – aber die Probleme sind ähnlich. Anscheinend gibt es überall das Bestreben, den Staat zu bescheißen. Eine Ausnahme sind natürlich die Vereinigten Staaten. Dort gibt es wesentlich schärfere Kontrollen als überall in Europa. So bekommt die amerikanische Steuerbehörde bei jeder Überweisung über 10.000 Dollar eine Mitteilung, und am Jahresende erhält die Steuerverwaltung automatisch von jedem Konto die Kontostände mitgeteilt. Steuerhinterziehung ist dort kein Kavaliersdelikt, was sie bei uns leider geworden ist. Interview: Felix Berth