Europäische Kritik vergrätzt asiatische Politiker

■ Die Asean-Staaten wollen in der Zukunft lieber ohne unliebsame Gäste tagen

Bangkok (taz) – US-Außenminister Warren Christopher pries den Lauf der Geschichte: Die Anwesenheit der Vertreter von 20 Nationen und der Europäischen Union beim diesjährigen Asean- Regionalforum (ARF) gestern in Jakarta sei ein Beweis für „die große Veränderung, die das Ende des Kalten Krieges für die asiatisch-pazifische Region gebracht hat“, sagte er in der indonesischen Hauptstadt. „Vor zehn Jahren wäre uns der Gedanke, daß wir alle zu einem Gespräch über Sicherheitsfragen zusammenkommen, vielleicht so abwegig erschienen wie wenn uns jemand 1945 gesagt hätte, daß Asien einmal die wirtschaftlich führende Wachstumsregion der Welt sein würde.“

Die vor drei Jahren von der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean gegründete Sicherheitskonferenz war in diesem Jahr überschattet von der Kritik der USA und Europas an der Aufnahme Birmas. Der US-Außenminister warnte vor einer weiteren Verschlimmerung der Bedingungen in Birma, die zu Blutvergießen und einer Destabilisierung in der Region führen könnte. Auch EU- Vertreter hatten die Asean-Staaten aufgefordert, ihr enges Verhältnis zum birmesischen Militärregime zu überdenken.

Vertreter der Asean zeigten sich über das Drängen der EU schwer verärgert. Der Vertreter Dänemarks, dessen ehemaliger Honorarkonsul James Leander Nichols kürzlich in birmesischer Haft starb, hatte Aufklärung über die Todesumstände verlangt. Indonesien wiederum war mit Portugal unzufrieden, das zu den schärfsten Kritikern der indonesischen Annexion Ost-Timors gehört.

Inoffiziell wurden Überlegungen laut, die EU künftig nicht mehr einzuladen. In einem Entwurf der Abschlußdeklaration heißt es: Das Asean-Regionalforum „soll nur solche Teilnehmer aufnehmen, welche einen direkten Einfluß auf den Frieden und die Sicherheit in der Region haben können“. Das schließt die USA, die immer noch rund 100.000 Soldaten im Pazifik haben, ebenso wie andere Anrainerstaaten ein – die skandinavischen Länder aber gewiß nicht.

Zu den wichtigsten Themen des Forums gehörten die Pekinger Gebietsansprüche im südchinesischen Meer. Darüber hatte die Asean bereits am Wochenende „Besorgnis“ ausgedrückt, was in der Diplomatensprache fast als scharfe Formulierung gilt.

Indiens Außenminister I. K. Gujral, dessen Land zum ersten Mal beim ARF vertreten war, bekräftigte in Jakarta erneut, daß Delhi nicht daran denkt, einen Atomtestsperrvertrag zu unterzeichnen, über den erneut im kommenden Monat in Genf verhandelt wird. Auch die Frage einer nuklearwaffenfreien Zone im Pazifik und die prekäre Lage auf der koreanischen Halbinsel standen wieder auf der Tagesordnung. Neben den Plenumsreden bietet die ARF vor allem Gelegenheit zu einer Vielzahl bi- und multilateraler Gespräche der Außenminister. Für die Vor- und Nachbereitung des Treffens wurden überdies eine Reihe von Konferenzen zu Themen wie „gemeinsames Peacekeeping“ und „präventive Diplomatie“ organisiert. Auf Vorschlag der EU soll im Dezember in Jakarta eine Konferenz über „Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen“ stattfinden, die unter anderem von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen organisiert wird.

Die in Jakarta versammelten Nationen und Organisationen waren neben den sieben Asean-Mitgliedern Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam: die USA, Rußland, EU, China, Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland, Kanada, Kambodscha, Laos und Papua- Neuguinea. Jutta Lietsch

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