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Notfalls finden die Chaos-Tage in Bremen statt

■ Mit 4.500 Polizisten und einer Anti-Punk-Verfügung rüstet Hannover gegen die Punkparty. Die Bunthaarigen werben derweil schon für Bremen als Ausweichort

Hannover (taz) – Insgesamt 4.500 Schutzpolizisten will der hannoversche Polizeipräsident aufbieten, um das Verbot der traditionellen Chaos-Tage am ersten Augustwochenende durchzusetzen. Der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums bestätigte gestern eine entsprechende Einsatzplanung. Zugleich sollen auch zwölf Wasserwerfer, acht Räumpanzer und zwanzig Transporthubschrauber des Bundesgrenzschutzes bereitstehen. Ab dem morgigen Freitag gilt für Hannover und den umliegenden Landkreis eine Allgemeinverfügung des Polizeipräsidenten, die nicht nur die Chaos-Tage und alle Ersatzveranstaltungen verbietet, sondern sich auch gegen angeblich „punktypische Verhaltensweisen“ wie „gruppenweises Lagern“ oder den „übermäßigen Genuß von Alkohol in der Öffentlichkeit“ richtet.

Im Punk-Kanal des Internet, dem Cannibal Home Channel, wurde das Inkrafttreten der Verbotsverfügung gestern „als Machtübernahme der Polizei“ bezeichnet. Die etwa 80 Flugblätter, die bisher im In- und Ausland zur hannoverschen Punkfete aufrufen, wurden bereits mit verschiedenen kleinen Handzetteln aktualisiert. Unter dem Stichwort „Letzte Info“ wird nun für eine Ausweichfete in Bremen geworben. Am ersten Augustwochenende, so heißt es da, soll Hannover zwar „erster Anlaufpunkt“ der Punks bleiben. Leute, „die durch fortgesetzten Bullenterror aus Hannover vertrieben werden“, sollen sich jedoch „in Bremen treffen“. In einem anderen Flugblatt, das bundesweit kursiert, heißt es, nur Punks, die es „absolut nicht packen, nach Hannover reinzukommen“, werden „zur Pest- und Chaos-Party in Bremen am Bahnhof“ gebeten. Die hannoverschen Chaos-Tage der Jahre 1997 bis 1999 werden auf diesem Flugblatt vorsorglich schon abgesagt. Im Jahr 2000 allerdings, pünktlich zur Expo in Hannover, wollen die Punks dann gleich vier Wochen lang in der niedersächsischen Landeshauptstadt feiern.

Ein Zusammenschluß von Bürgern aus Hannovers Nordstadt, in der es im vergangenen Jahr zu Barrikadenkämpfen zwischen Punks und Polizei gekommen war, kritisierte die Einsatzplanung gestern scharf.

Eine Sprecherin der Anwohner nannte die Verbotsverfügung der Polizei „eine Mischung aus unfreiwilligem Kabarett und Volksverhetzung“. Gewaltbereite Jugendliche aus verschiedenen Subkulturen würden durch dieses Verbot geradezu angezogen. Alle Versuche der AnwohnerInnen der Nordstadt, den Punks in diesem Jahr einen Platz mit Musikbühne für ihre Feier zu Verfügung zu stellen, seien am Widerstand der Polizei gescheitert. Jürgen Voges

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