Das wird kesseln

■ Im Herbst 1997 eröffnet das Cinemaxx: 10 Säle, 3000 Plätze. Ein Angriff auf die Bremer Kinolandschaft – kann die sich wehren?

ehn Säle mit insgesamt 3.000 Plätzen sollen es werden, allesamt projektions- und tontechnisch auf dem neuesten Stand. Wenn im Herbst '97 am Breitenweg Bremens „Cinemaxx“ eröffnet, wird die alteingesessene Konkurrenz unruhige Nächte haben – und macht sich schon jetzt Gedanken, wie sie auf den Hamburger Kino-König Hans-Joachim Flebbe reagieren soll. 124,5 Millionen BesucherInnen verzeichneten die deutschen Kinos 1995 – 6,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Bloß die Multiplexe haben zugelegt und schönen die Statistik: 13,7 Millionen Karten wurden 1995 bundesweit in den diversen Multiplex-Betreibern – Cinemaxx ist einer davon – verkauft, das sind 19,2 Prozent mehr als 1994, hat die Berliner Filmförderungsanstalt (FFA) errechnet.

„Wenn das Cinemaxx kommt, wird es in der Bahnhofsgegend kesseln“, prophezeit Theaterleiter Hans-Jürgen Buhl von der Studio Filmtheater-Betriebs GmbH mit den Kinos „Atlantis“, „Filmstudio“ und „Gondel“. Daß die zehn luxuriösen Säle am Bahnhof besonders das „Filmstudio“ am Herdentorsteinweg in große Bedrängnis bringen werden, liegt auf der Hand.

Besucherrückgang um 6,3 Prozent

„Je mehr Säle, umso gefährlicher“ – fürchtet Buhl, denn neben den Blockbustern der US-Majors werde Flebbe, selbst aus der Programmkino-Szene hervorgegangen, in ein oder zwei Sälen auch anspruchsvolle Filmware spielen, um sich kein Marktsegment entgehen zu lassen. Während andere Multiplex-Kinocenter stadtfern auf der grünen Wiese angesiedelt wurden und teilweise nur mit dem Auto zu erreichen sind, setzt das Cinemaxx konsequent auf Citylage. In Hannover liegt das Cinemaxx bloß fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt.

In Bremen mache sich die Rezession auch beim Kinobesuch bemerkbar, sagt Manfred Brocki von der SRS Bremer Filmtheaterbetriebe GmbH mit den Häusern „Schauburg“, „City“ und „Europa“. Brocki hofft, daß das Publikum, das „aus Neugier“ ins Cinemaxx gehen wird, „zurück in die gutgeführten Häuser“ kommt. Ironie am Rande: Erst vor eineinhalb Jahren, am 1. Februar '95, hatte die SRS-Gruppe „City“ und „Europa“ von Flebbe gekauft, nachdem der für die damalige Renovierung des „Europa“ gerade eine halbe Million Mark ausgegeben hatte. Vor kurzem wurden die vier „City“-Kinos und das großzügige „Europa“ nochmals attraktiver gestaltet. Die Foyers wurden erweitert, neue Tonsysteme installiert (die taz berichtete). Fifty-fifty auf profilierte Programmplanung und ansprechende Räumlichkeiten setzt Brocki im Konkurrenzkampf mit dem Cinemaxx. Wobei ihm klar ist, daß die Einspielergebnisse kassenträchtiger Filme, wenn sie mit drei Kopien in der Stadt zu sehen sind, in seinen Häusern nur unter ferner liefen rangieren.

Cinemaxx: immer zentral und technisch perfekt

Also zurück zum Filmkunst-Angebot kleinerer deutscher Verleiher? Hans-Joachim Flebbe lege es nicht darauf an, Filmkunstkinos kaputtzumachen, sagt Manfred Brocki. Er sei auch mal bereit, einen Film nicht zu spielen, um dem kleinen Bruder das Geschäft nicht kaputtzumachen.

Dem stimmt Thomas Settje, Betreiber des „Cinema“ im Ostertorsteinweg, nicht zu. Settje weiß, daß Flebbe „alles alleine“ macht, an eine Kooperation mit dem Cinemaxx mag er nicht glauben. Ansonsten beurteilt Settje die Lage fatalistisch. Daß gegenwärtig Multiplexe wie Pilze aus dem Boden schießen, sei kein Boom, sondern eine ganz natürliche Entwicklung. „Die normalen Kinos sind den Leuten zu langweilig geworden“.

Einen Steinwurf vom Cinemaxx entfernt liegt das UT-Kinocenter. Fürchtet man dort schon die Konkurrenz? „Gar nicht“, entfährt es Brigitte Schulte, die von München aus die UT-Kinos bundesweit leitet. Und fügt salomonisch hinzu: „Das Publikum entscheidet.“ Vor allem für das ganz junge Publikum werde das Cinemaxx einen „Neuigkeitswert“ darstellen. Und für sie „Schutz und Geborgenheit“ bieten. „Denn das finden die jungen Leute in der Masse.“ Im übrigen hat man Fett angesetzt, um über die Durststrecke zu kommen. Die Düsseldorfer Ufa-Kette (Ufa-Stern, Ufa-Palast) hat Anteile an den UT-Kinos gekauft, Pacht muß die Ufa für ihre – teilweise in lieblosem Zustand befindlichen – Kinos nicht bezahlen – die Immobilien gehören dem Konzern.

Schauburg: Angewiesen auf das Café

Fett angesetzt haben allerdings weder Manfred Brocki noch Hans-Jürgen Buhl, kinomäßig. In der „Schauburg“ ist der Besuch rückläufig, Stammbesucher brechen weg, mit kultverdächtigen Filmen wie „From Dusk till Dawn“ soll junges Publikum ans Haus gebunden werden. Geschäft wird vor allem mit dem Schauburg-Café gemacht, und da wiederum nicht mit dem Essen, sondern mit den Getränken. „Wir sind auf das Café angewiesen“, sagt Brocki. Kein Wunder: 53 Prozent des Kino-Eintrittspreises gehen an den Verleih, 7 ans Finanzamt, 2,5 an die FFA, 0,6 an die GEMA. Hinzu kommen Personalkosten, Hausmiete, etc. Unabhängige Kinomacher müssen viel Leidenschaft ins Geschäft investieren.

Das tut auch Hans-Jürgen Buhl. Die „Gondel“ in Schwachhausen läuft noch gut, nicht zuletzt, weil die Bremer „sture Gewohnheitsmenschen“ seien. Mit dem Namen „Gondel“ verknüpft das Stammpublikum Qualität, man vertraut auf das Programm. Als Theaterleiter sieht er seine Häuser als „gut sortierte Fachgeschäfte“, im Gegensatz zum Cinemaxx, das doch bei aller technischen Perfektion „immer eine Art Kaufhaus bleibt“. Die Rezession spürt auch er beim Kinobesuch, um zehn Prozent zurückgegangen sind die Zuschauerzahlen. „Kino wird wieder Luxus“, befürchtet er. Eine mögliche Konsequenz: Die Eintrittspreise könnten wieder fallen. Umsatz machen die Kinos häufig vor allem durch „Impulskäufe“ zusätzlich zur Kinokarte. Doch zu einem Gemischtwarenladen will Buhl seine Kinos nicht machen. Getränke und Eis werden bereitgehalten, aber nicht größer beworben als das, worum es eigentlich geht: die Filme. Für einen Tresen und mehr Sitzmöglichkeiten etwa wäre in der „Gondel“ noch Platz. Dafür sind Investitionen nötig, die die Firmenzentrale in München nicht leisten will oder kann. Denn auch in Berlin betreibt die Studio Filmtheater GmbH Kinos: Der Mietvertrag für die Kudamm-nahe „Lupe 2“ wurde ihr bereits gekündigt – monatelang war die Miete nicht gezahlt worden.

Im Hause Flebbe versteht man die Besorgnis der Bremer Kinomacher nicht ganz. Das Cinemaxx aktiviere zusätzliches Besucherpotential, das auch den Programmkinos hilft, meint Cinemaxx-Sprecher Thomas Schulz. Wer einmal gesehen habe, wie schön der Kinobesuch in den konsequent auf den Zuschauer zugeschnittenen Sälen sei, ginge auch wieder öfter ins Kino – auch in andere, glaubt Schulz. Die Cinemaxxe hätten es nämlich geschafft, die „Quote von 3,4 auf 5,7 Besuche jährlich zu steigern“. Keinen Hehl macht Schulz daraus, daß es für die Erstaufführungstheater hart wird: „Wenn Sie einen alten Golf und einen neuen mit vielen Extras zum selben Preis anbieten, möchte ich wissen, wer sich in den alten setzt.“

Daran daß der „neue Golf“ so viel Extras hat, trägt auch Bremen bei. Schließlich wird der Cinemaxx-Bau in den Magazin-Neubau des Übersee-Museums integriert. 26 Mio Mark stehen dafür bereit. Die Weser Wohnbau zieht für Hans-Joachim Flebbe das Gebäude hoch, dann mietet er es von der Baugesellschaft. Investieren muß er nur noch ins Innenleben des Cinemaxx. Das schlägt auch Brigitte Schulte vom UT-Kino auf den Magen: „Als wir das „Tivoli“ renoviert haben, mußten wir auch alles selber zahlen.“ Und auch Schauburg-Chef Manfred Brocki hat noch an der Rückzahlung der 50.000 Mark zu knabbern, die er für die Renovierung des „Europa“ bekam. Bleibt abzuwarten, wie die Verleiher auf die gewandelte Kinolandschaft reagieren werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Alexander Musik

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