Als Deutsche unter Deutschen

■ Wenn selbst die Einbürgerung nicht hilft: Ein Erfahrungsbericht der Familie Alpaslan

Erst die Einbürgerung, dann auch noch die Hochzeit und jetzt das: „Überprüfung der Staatsangehörigkeit des Kindes“ steht auf dem Computer-Bildschirm der Sachbearbeiterin in der Meldestelle des Ortsamts West. Ramazan Alpaslan möchte seine vor zwei Wochen geborene Tochter Bilge ordnungsgemäß in der elterlichen Wohnung in der Jenaer Straße in Findorff anmelden. „Wenn der Vater Deutscher ist und die Mutter ist Deutsche, welche Nationalität wird dann wohl das Kind haben?“, fragt er leicht ironisch. Seinen deutschen Personalausweis hatte er gleich zu Beginn auf den Tresen der Meldestelle gelegt. Doch die Sachbearbeiterin ist verunsichert, holt einen Kollegen herbei. Schließlich wird das Kind eingetragen, Nationalität deutsch.

Doch Ramazan Alpaslan ist nicht zufrieden. Wieder hat er erlebt, wie schwer es ist, als Deutscher wie ein Deutscher behandelt zu werden. „Ich lebe seit 16 Jahren in Deutschland, seit Mai habe ich den deutschen Paß“, sagt er. Seine Frau Sadiye hatte sich schon vor vier Jahren einbürgern lassen. „Als das Kind unterwegs war, haben wir auch noch geheiratet. Es sollte endlich Schluß sein, mit dem ewigen Behördenproblemen“, sagen die frischgebackenen Eltern. Doch in deutschen Amtsstuben wird als Deutscher nur behandelt, „wer blond und blauäugig ist und Müller heißt“, wissen sie inzwischen.

Zum Beispiel auf dem Standesamt. In Zimmer 15 muß das Aufgebot für deutsche Staatsangehörige bestellt werden. Doch Ramazan Alpaslan und Sadiye Mesçi werden schon an der Tür abgefangen: „Ausländer bitte eine Etage höher“, hören sie. Die deutschen Ausweise verschaffen ihnen schließlich Zutritt für Zimmer 15. Doch selbst dort sind Deutsche nicht sofort Deutsche. Der Beamte verlangt nach den Einbürgerungsurkunden. Dabei liegen die Ausweise vor ihm und die Auszüge aus dem Bremer Melderegister.

Oder im Wahllokal. Als Sadiye Mesçi bei der letzten Wahl ihre Stimme abgeben will, muß sie wie alle anderen auch die Wahlbenachrichtigung und den deutschen Personalausweis vorzeigen. Doch während die Wahlhelfer bei Müller und Schmidt in ihren Listen nur ein Häkchen machen, wird hinter dem Namen Sadiye Mesçi feinsäuberlich die ganze Ausweisnummer eingetragen.

„Jetzt sprechen wir schon deutsch miteinander“, klagen Ramazan Alpaslan und Sadiye Mesçi-Alpaslan, „wir essen Kartoffeln, und der Spargel schmeckt uns sogar gut – aber wenn irgendein Formular ausgefüllt wird, dann steht da unter Nationalität doch wieder türkisch.“ Lange Zeit haben sie versucht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Doch dann ist Ramazan Alpaslan neulich endgültig der Kragen geplatzt.

Es passierte in der Familienkasse des Arbeitsamtes. Als erfahrener Behördenbesucher hatte Alpaslan extra vorher angerufen, welche Dokumente zur Beantragung des Kindergeldes für seine neugeborene Tochter benötigt werden. Auftragsgemäß legt er seinen deutschen Personalausweis und die Geburtsurkunde auf den Tisch. Welche Nationalität das Kind denn habe, wird er gefragt. Und wo denn die Kopie des Personalausweises der Mutter sei. Die werde immer dann benötigt, wenn Deutsche mit „ausländisch klingenden Namen“ einen Antrag auf Kindergeld stellen möchten. So stehe es nunmal im Gesetz.

Doch so ein komisches Gesetz kann sich Ramazan Alpaslan beim besten Willen nicht mehr vorstellen. Er verlangt nach dem Vorgesetzten, beschwert sich und informiert die Presse. „Ich weiß, das das eigentlich nur eine Kleinigkeit war. Aber ich habe mich richtig diskriminiert gefühlt“, sagt er. Und das offenbar zurecht.

„Es gibt für diesen Fall weder ein Gesetz noch eine Verordnung“, sagt der Sprecher des Arbeitsamts, Nowak. Tatsächlich würden die Sachbearbeiter in der Familienkasse jedoch immer dann einen Nachweis der Nationalität beider Eltern verlangen, wenn der Familienname ausländisch klingt. Eine „diskriminierende Maßnahme“ sei das natürlich nicht, so Nowak, denn man müsse sich doch die Frage stellen: „Wie würde Herr Müller in der Türkei behandelt, wenn er sagt, er sei Türke?“

Im Standesamt hat man eine ähnlich überzeugende Erklärung für die Frage nach der Einbürgerungsurkunde. Dieter Katt, Leiter des Standesamts Mitte: „Das war nur eine Bitte. Auf Wunsch kann das Datum der Einbürgerung nämlich im Familienbuch vermerkt werden.“ Und Renate Bernard von der Zentralen Meldestelle kann die Verunsicherung der Sachbearbeiterin bei der Frage nach der Nationalität des Kindes der deutschen Familie Alpaslan verstehen: „Das Staatsangehörigkeits-Recht ist sehr kompliziert, da wollte sie nichts verkehrt machen.“

Ramazan Alpaslan und Sadiye Mesçi-Alpaslan fühlen sich inzwischen selber irgendwie verkehrt als Deutsche unter den Deutschen. „Wie sollen wir das alles einmal unserer Tochter erklären“, fragen sie sich, „die hat deutsche Eltern, und Deutsch wird ihre Muttersprache. Aber spätestens bei der ersten Klassenfahrt nach England wird sie aus der Schlange an der Paßkontrolle ihres Heimatlandes herausgewunken werden...“ Ase