Gastkommentar
: Bahnhofsplatz verramscht

■ Ortsamtsleiter Robert Bücking

Am Bahnhofsvorplatz soll gebaut werden. Großinvestor Bilfinger und Berger will an der südlichen Seite des Platzes ein Gebäude errichten mit etwa 10.000 Quadratmetern Einkaufs- und Bürofläche. Das ist unstrittig das bedeutendste Bauvorhaben Bremens in den nächsten Jahren. Nun sollte man meinen, daß es ebenso unstrittig ist, für ein Vorhaben diesen Ranges einen Architekten-Wettbewerb auszuschreiben. Und so hatte es der Senat vor zwei Jahren auch beschlossen.

Ein bißchen Wasser die Weser runter, ein bißchen Durcheinander bei der Koordination, ein bißchen Krise im Staatssäckel, und die guten Vorsätze sind Schnee von gestern. Vor vier Wochen beschließt der Senat, der Wettbewerb sei nicht mehr zwingend, die Angelegenheit könne vom Bausenator nach Lage der Dinge gehandhabt werden.

Und so kames, wie es kommen mußte: Letzte Woche hat das Bauressort auf einen Wettbewerb verzichtet. Das Schüsselgebäude der Cityentwicklung wird zur Privatangelegenheit eines mit Bremen nicht weiter verbundenen Großinvestors.

Noch mal zur Erinnerung: Das Gebäude soll dem Platz zwischen Bahnhof und Überseemuseum eine ordentliche Kante geben. Der Bahnhof bekommt ein Gegenüber. Eine häßliche Hochstraße, dieses Brett vor dem Kopf der Altstadt, wird gnädig verdeckt. Das Gebäude liegt mitten auf der Achse Bahnhof-Herdentor und soll eine Passage aufnehmen, auf der Zigtausend täglich durch die Altstadt zuckeln. Hier entsteht der moderne Eingang der City. Aus dem Verkaufserlös des Grundstückes soll die Neugestaltung des Platzes und die Verlagerung der ÖPNV-Anlagen finanziert werden. Wie anders als durch einen Wettbewerb mit gründlicher Definition der öffentlichen Ansprüche, eine Jury aus unbestrittenen Fachleuten und konkurrierende Entwürfen namhafter Architekten kann an so einem Ort, in einem demokratischen Gemeinwesen, die Form für ein Gebäude gefunden werden, daß die nächsten hundert Jahre steht?

Die Lage auf dem Bremer Immobilienmarkt zwingt zur Bescheidenheit. Das weiß niemand besser als Bilfinger & Berger, und sie werden darauf bei jeder Verhandlungsrunde hingewiesen haben. Das ist eine Rahmenbedingung bremischer Politik. Es können doch aber nicht mal der Wirtschaftssenator und sein Staatsrat wünschen, daß sich in der Republik herumspricht, in Bremen wird das Filet verramscht. Schließlich ist es das langfristige und gemeinsame Interesse aller Investoren, auf städtischen 1a-Lagen Qualität zu sichern. Wenn aber unter den gegebenen Umständen der Wirtschaftssenator jedes Gefühl für städtisches Selbstbewußtsein vermissen läßt, muß wenigstens der Bausenator dafür sorgen, daß Stadtentwicklungspolitik nicht zur Außenstelle eines Maklerbüros verkommt.

Robert Bücking, Ortsamtsleiter Bremen-Mitte