Horrorfilm wurde zur Realität

■ Ein 15jähriger bekam zwei Jahre auf Bewährung. Er hatte als Zombie „Jason“ zwei Menschen schwer verletzt

Nürnberg (taz) – Zombie „Jason“ aus der Horrorfilmserie „Freitag der 13.“ hatte es dem 14jährigen Christian E. aus dem Dörfchen Krennerhäuser bei Passau angetan. Wieder und wieder schaute er sich den Streifen an. In mühseliger Kleinarbeit bastelte er sich eine Maske des Protagonisten „Jason“ und ging seine neunjährige Cousine Michaela erschrecken.

Auch am 2. März um 19.30 Uhr verkleidete sich Christian als „Jason“ und nahm erstmals ein Buschmesser und ein Beil mit. In der Küche der Großeltern traf er nicht nur auf Michaela, sondern auch auf die dort zufällig anwesende 69jährige Nachbarin. Der Film wurde zur Wirklichkeit. Christian alias „Jason“ versetzte der Nachbarin zunächst zwei Schläge mit dem Buschmesser, dann schlug er seiner Cousine zweimal mit der Axt auf den Kopf. Dann ging Christian zu seinen Eltern und sagte: „Ich hab' der Michaela aufig'haut.“

Nach sechs Verhandlungstagen verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts Passau den inzwischen 15jährigen Christian wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, die allerdings auf Bewährung ausgesetzt wurde.

„Aufgrund des suchtartigen Konsums von Horrorvideos und des schweren Erziehungsversagens der Eltern konnte eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen werden“, begründete der Vorsitzende Richter Michael Huber die Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Huber ließ bei seiner Urteilsbegründung aber keinen Zweifel daran, daß „nur sein Alter und das unverständliche Verhalten“ der Eltern und anderer erwachsener Mitglieder der Großfamilie den Jungen vor einer deutlich höheren Jugendstrafe bewahrt haben.

Huber meinte damit nicht nur Christians Onkel, der dem Jungen das von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften bereits 1986 auf den Index gesetzte Video zur Verfügung gestellt hatte. Auch griff niemand ein, als der Junge sich ab Ende letzten Jahres in seiner Freizeit fast ausschließlich damit beschäftigte, Action-, Kung-Fu- und Horrorvideos anzusehen, Masken und Kostüme von Horrorfiguren herzustellen und entsprechend verkleidet herumzustreifen. „Weder die Eltern noch die anderen Erwachsenen des Familienverbandes setzten sich mit dieser Persönlichkeitsentwicklung auseinander“, faßte Richter Huber das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. Ein psychologischer Gutachter bezeichnete Christians Tat als einen „typischen Nachahmungsfall“. „Ohne den Film wäre das nicht passiert.“

Da die Jugendkammer davon überzeugt war, daß „geeignete Maßnahmen die künftige Entwicklung des Jugendlichen noch beeinflussen können“, verzichtete sie auf eine Unterbringung in einer Jugendstrafanstalt. Christian E. wird zunächst in einem Heim untergebracht werden, wo er von Spezialisten heilpädagogisch behandelt werden soll. Horrorfilme oder entsprechenden Masken darf Christian E. zukünftig weder anfertigen, besitzen noch benutzen. Bernd Siegler