Der Mummenschanz von Bayreuth

In der Stadt grassiert seit Freitag zum 85. Mal wieder das Wagner-Fieber, und in der Deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft tummeln sich die Rechtsextremisten  ■ Von Bernd Siegler und Anton Mägerle

In den nächsten fünf Wochen steht die oberfränkische Stadt Bayreuth zum 85. Mal ganz im Zeichen des Komponisten Richard Wagner. Die knapp 60.000 Karten für die 30 Aufführungen sind längst ausverkauft, knapp zehnmal so viele Karten hätte man losbringen können. Die Wagner-Liebhaber können nicht nur stundenlang den „Meistersingern von Nürnberg“, „Tristan und Isolde“ oder „Rheingold“ lauschen. Sie können sich auch im Rahmen des Festspielprogramms vorab in die Werke „einführen“ lassen. Und zwar von der „Deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft“, einem Verein, in dem sich Rechtsextremisten tummeln.

Die „Deutsche Richard-Wagner-Gesellschaft“ entstand aus einer Publikumsinitiative, die sich in Bayreuth vor knapp 20 Jahren als Reaktion auf die provokante Inszenierung des „Rings des Nibelungen“ durch den Franzosen Patrice Chereau gebildet hatte. Dieser „Aktionskreis für das Werk Richard Wagners“ kritisierte vehement die „Ideologisierung und Verfälschung des Werkes im Sinne dubioser gesellschaftspolitischer Heilslehren“. Aus ihr wurde 1989 die Wagner-Gesellschaft. Seitdem führt auch Uwe Faerber den Vorsitz. Er wird in den „Mitteilungen“ der Gesellschaft als einer der „deutschesten Menschen“ gefeiert. Redakteur der Zeitschrift der rund 300 Mitglieder zählenden Wagner-Gesellschaft ist der Berliner Rüdiger Pohl. Pohl publiziert in dem neurechten Wochenblatt Junge Freiheit und engagierte sich in der Führungsetage der unlängst aufgelösten ultrarechten „Deutsch-Rußländischen Gesellschaft“. Zur Feder griff Pohl, dessen Privatanschrift identisch mit der Geschäftsstelle der Wagner- Gesellschaft ist, auch für die Reihe „Deutsche Geschichte“ der rechtsextremen „Verlagsgesellschaft Berg“.

Neben Ulrich Mutz, Exfunktionär des rechten „Rings Freiheitlicher Studenten“ und Autor in den einschlägigen Postillen Etappe und Criticon sowie Referent bei der Sommeruniversität der Jungen Freiheit, tummelt sich auch Karl Richter in diesem illustren Wagnerianer-Kreis. Richter ist führender Funktionär der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ und Redakteur von Nation + Europa, dem wohl auflagenstärksten und wichtigsten Strategieorgan des bundesdeutschen Rechtsextremismus. In den Mitteilungen der Wagner-Gesellschaft durfte er sein Werk „Richard Wagner. Visionen. Werk, Weltanschauung, Deutung“ vorstellen.

Darin heißt es: „Erst im nachhinein, angesichts der jüngsten Schauerstücke seit 1976, dem Jahr des Chereau-,Rings‘, läßt sich erahnen, daß 1945 nicht nur ein politisches System überwunden wurde, sondern die Seele möglichst effektiv mitgetroffen werden sollte. Vergewaltigt wurden nicht nur Hunderttausende von Frauen im Osten, sondern auch die kulturelle, die identitäre Mitgift.“ Richter versteht Wagner als „Propheten“ und Hitler als dessen „Vollstrecker“, denn Hitler sei der „einzige vielleicht, der Wagners Schriften und Dramen richtig verstanden“ habe. Der von einem ehemaligen Wiking-Jugend-Aktivisten gegründete Arun-Verlag wirbt für Richters Buch mit einem Zitat des Wagner-Enkels und Festspieldirektors Wolfgang Wagner. Dem 77jährigen ist es demnach ein „Bedürfnis, dem Buch den bestmöglichen Erfolg und breite öffentliche Resonanz zu wünschen“.

Das paßt zu Wolfgang Wagner, der seit 45 Jahren, zunächst zusammen mit seinem Bruder Wieland und ab 1967 allein, über das Werk seines Großvaters wacht. So lobte der Herr auf dem Hügel in seinen Lebenserinnerungen „Lebens- Akte“ die „tadellosen Umgangsformen“ Hitlers, der sich stets „wie ein Kavalier altösterreichischer Schule“ benommen habe. Wolfgang Wagner weiß Bescheid, schließlich ging Hitler, der Richard Wagner als „die größte Prophetengestalt, die das deutsche Volk besessen hatte“, verehrte, im Haus von Wolfgang Wagners Mutter Winifred ein und aus. Hitler war für ihn der „Onkel Wolf“.

Vor drei Jahren bewarfen rechtsextreme Wagner-Verehrer die Premierengäste Michail Gorbatschow und Edmund Stoiber mit Eiern. Die „Jungen Nationaldemokraten“, die Jugendorganisation der NPD, verteilten an die verdutzte Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur Flugblätter mit der Überschrift „Den Bonzen den Marsch blasen“. Sie beklagten darin, daß „unserem Volk durch die Gleichmacherei auch seine Seele geraubt werden“ solle und daß „durch linksliberalistische Entartung das grandiose Werk Richard Wagners, eines der größten Söhne unseres Deutschen Volkes, in den Dreck gezogen“ werde.