„Schadensbegrenzung für den privaten Sektor“

■ Birgit Schultz, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftsforschung Halle/Saale, meint, Privatfirmen sollten die Chance erhalten, sich um ABM-Aufträge zu bewerben

taz: Frau Schultz, wächst der zweite Arbeitsmarkt zum Konkurrenten der freien Wirtschaft heran?

Birgit Schultz: Ja. Immer mehr Angebote von Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt decken sich mit denen der öffentlich geförderten Projekte. Das gilt nicht für die gesamte Wirtschaft, sondern, zum Beispiel, für die Branchen Garten- und Landschaftsbau und im Baugewerbe.

Die Kommunen können zur Pflege ihrer Grünanlagen Gärtnereien gar nicht mehr bezahlen, die kommunalen Kassen sind leer.

Meinen Sie, sämtliche Grünanlagen würden verwildern, wenn es keine ABM gäbe? Die Kommunen streiten ja darüber, ob diese Pflege zu ihren freiwilligen oder zu den Pflichtaufgaben gehört. Es werden neben freiwilligen Aufgaben auch Pflichtaufgaben gefördert. So steht es im Arbeitsförderungsgesetz: Wenn eine Pflichtaufgabe erst in zwei Jahren oder später realisiert werden würde, weil kein Geld da ist oder aus anderen Gründen, kann das auch über ABM realisiert werden. Da gibt es bereits Überschneidungen.

Von einer Radikalkürzung bei ABM, wie sie jetzt diskutiert wird, wären doch zuerst viele Sozialprojekte betroffen.

Das ist unbestritten, auf diese sozialen Projekte zielt auch nicht meine Kritik. Was ich kritisiere, ist die Tendenz zur Verfestigung der als Übergangshilfe gedachten Strukturen zum Nachteil der gewerblichen Wirtschaft.

Angenommen, die Erwerbsquote steigt wieder – Langzeitarbeitslose, Männer und Frauen über 40, Jugendliche aus schwierigen sozialen Milieus werden davon keinen Nutzen haben...

Das ist kein Grund, eine direkte Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt aufzubauen und dort Arbeitsplätze zu verdrängen.

So bedrohlich kann die Konkurrenz nicht sein. Bevor ein Förderprojekt genehmigt wird, muß der für die Branche zuständige Wirtschaftsverband eine „Unbedenklichkeitserklärung“ geben. Ohne Papier keine Förderung.

Die Handwerkskammer schafft es ganz gut, ABM-Projekte abzuwehren. Doch gerade beim Garten- und Landschaftsbau ist das schwierig. Die Industrie- und Handelskammern haben dort mitzureden, aber auch die Landesverbände Garten- und Landschaftsbau. Beide müßten sich die Unbedenklichkeitserklärung „teilen“. In der Praxis ist es so, daß die IHK freizügig bewilligt und der Landesverband Garten- und Landschaftsbau, zum Beispiel Sachsen-Anhalt, gar nicht gefragt wird. Wir haben in unserem Institut untersucht, welche Tätigkeiten im Garten- und Landschaftsbau von privatwirtschaftlichen Unternehmen am ersten Arbeitsmarkt angeboten werden, welche am zweiten und weitgehende Deckungsgleichheit festgestellt. Aber die Lohnkosten für ABM werden nahezu vollständig von der Bundesanstalt für Arbeit getragen, zudem fließen relativ hohe Sachkostenzuschüsse.

Aufschlußreich war die Untersuchung der Profit-Center in den Beschäftigungsgesellschaften (Profit-Center sind Unternehmensbereiche, die zwar noch zur ABS gehören, aber bereits reguläre, unsubventionierte Beschäftigte angestellt haben; d. Red.). Die auf den freien Markt übergewechselten Firmen sind immer noch unselbständig, personell verflochten mit der ABS und abhängig von deren Auftragslage. Diese Unternehmen wurden wahrscheinlich nur gegründet, um kostengünstig ABM-Leistungen zu ergänzen. Alles, was nicht förderfähig ist, wird dann in die ausgegründete Firma verlegt. Die genießt aber durch ihre Verflechtung mit der ABS einen Wettbewerbsvorteil.

Wie lauten Ihre Vorschläge?

Wir werden den zweiten Arbeitsmarkt noch eine Weile brauchen, aus sozialpolitischen Gründen. Allerdings sollte er nicht noch ausgebaut werden. Notwendig ist eine Schadensbegrenzung für den privatwirtschaftlichen Sektor. Sinnvoll wären Vergabe-ABM, wie sie bereits im Arbeitsförderungsgesetz vorgesehen werden: Privatunternehmen sollten über öffentliche Ausschreibungen die Möglichkeit bekommen, sich um ABM-Aufträge zu bewerben. Ein Hauptgrund für die geringe Neigung der Träger zu diesem Modell liegt in den zusätzlichen, nicht zuschußfähigen Ausgaben: Eine Ausschreibung kostet Geld und Verwaltungsaufwand. Zudem setzt bei einer Vergabe die Umsatzsteuerpflicht für das ausführende Unternehmen ein. Die Gebietskörperschaften und Träger aber sind nicht berechtigt, Vorsteuer abzuziehen. Also würden sie 15 Prozent draufzahlen. Interview: Detlef Krell