■ Swissair macht's möglich: Zocken in 10.000 Metern
: Die fliegende Spielhölle

„Rien ne vas plus!“ Der Chefsteward des Swissair-Flugs von Zürich nach New York bittet alle Mitspieler, die Rückenlehne hochzustellen, die Gurte wieder anzulegen. Fluggast T. setzt seine letzten Dollars auf die 17 – und 17 fällt. Und mit einem Schlag hat er das 36fache Geld.

Kein Alptraum mehr, kein Augenreiben, ab November will Swissair in seinen 21 Langstreckenfliegern die virtuelle Kugel rollen lassen. Die fliegenden Spielkasinos sind schon geordert – für 80 Millionen Dollar bei der jungen US- Computerfirma Interactive Flight Technologies. Den interaktiven Bildschirm zum Mitspielen hat der Fluggast vor sich am Platz, das einzige, was sie oder er noch braucht, ist eine Kreditkarte. 100 Dollar ist der Höchsteinsatz, bis zu 1.000 Dollar gibt es pro Spiel zu gewinnen.

Die Schweizer, in deren Tälern und an deren Seen das Kasinowesen bisher kein Bein auf die Erde bekommen hat, bieten ihren Langstreckenfluggästen künftig den besonderen Kick. Stockseriös wie die Eidgenossen jedoch selbst beim Gambling sind, bleibt das Angebot begrenzt. Auf den Swissair-Schirmen wird man künftig zwar beim Bingo mitspielen können, aber Pokern oder Black Jack bleiben den ablenkungsbedürftigen Fluggästen versagt. „Wir bieten nur die Spiele der Schweizer Nationallotterie an“, so Swissair- Sprecher Hans Kummer etwas verschämt. „Wir machen nichts, was bei uns zu Hause verboten ist.“

Eigentlich machen's die Schweizer auch nicht einmal selbst. Die Spielkasinos werden von den US- Computerfreaks bei Interactive Flight Technologies betrieben, meldet die Financial Times. Die vor zweieinhalb Jahren gegründete Firma sieht im Kasino vor allem eine Möglichkeit, die investierten Dollars schneller zurückzuholen. 60 Videofilme und 600 Musiktitel sollen die Fluggäste zusätzlich abrufen können. „Wir wollen den Gästen die weltbeste Flugunterhaltung bieten“, so das bescheidene Ziel des 32jährigen IFT- Chefs Michail Itkis.

Selbst mit diesem braven Angebot fliegen die Eidgenossen dem Rest der Welt aber weit voraus. British Airways läßt gerade erst zaghafte Spielversuche laufen, und selbst die sonst immer für einen interaktiven Gag offenen Virgin Airlines wollen erst mal abwarten, was die neue Technologie denn so bringt.

Gleiches hörte man gestern auch von der Lufthansa aus Frankfurt: „In absehbarer Zeit ist so etwas bei uns nicht geplant“, enttäuscht Lufthansa-Sprecher Christian Kick die verspielten deutschen Fluggäste. „Das Spielkasino an Bord gehört nicht zu den Prioritäten unserer Kundschaft.“ Statt dessen will Lufthansa das Telefonieren an Bord erleichtern. Seriös, seriös.

Nicht angesteckt vom Spielfieber ist bislang auch Europas Flugzeugbauer Airbus. Die Schweizer werden die fliegenden Spielbanken nämlich nur in Flugzeugen der amerikanischen Konkurrenz von McDonnel-Douglas und Boeing einbauen. „Wir haben keinen Langstrecken-Airbus“, erklärt Kummer. Die Hamburger Airbus- Zentrale bestätigt das: Können wir einbauen, hat aber noch kein Kunde verlangt. Vorläufig bleibt's also dabei: Nur mit Swissair amerikanisch fliegen, ist fliegen mit dem Kick. Hermann-Josef Tenhagen