Streit unter Nachbarn

■ Ungarn will Landsleute in Rumänien unterstützen. Bukarest fühlt sich bedroht

Berlin (taz) – Zwischen Ungarn und Rumänien stehen die Zeichen wieder einmal auf Streit. Stein des neuen Anstoßes ist eine Erklärung der ungarischen Regierung, ihre Landsleute in Rumänien finanziell unterstützen und mit deren Vertretern weiter politische Beziehungen unterhalten zu wollen. Das sei inakzeptabel, erklärte dieser Tage das rumänische Außenministerium. Derartige Aktionen würden zu neuen Spannungen führen.

Von neuen Spannungen kann hingegen keine Rede sein. Seit langem verhandeln Budapest und Bukarest über einen Grundlagenvertrag. Bislang ohne Ergebnis. Die Regierung Horn will für die 1,7 Millionen Ungarn in Rumänien, die größtenteils in Transsylvanien leben, Minderheitenrechte festgeschrieben wissen. Sie fordert daher, die Empfehlung Nummer 1201 des Europarates in den Vertrag miteinzubeziehen. Das lehnt Rumänien ab und wirft dem Nachbarn Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Die Empfehlung 1201 sieht die Gleichstellung von nationalen Minderheiten vor. Dazu gehören die Respektierung von Grundfreiheiten wie freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sowie der Gebrauch der eigenen Sprache.

Erst unlängst war Rumäniens Staatspräsident Ion Iliescu gegen den Nachbarn zu Felde gezogen. Grund seiner Kritik war ein Vorstoß der Ungarischen Demokratischen Union (UDMR). Die hatte mit Gyorgy Frunda einen Kandidaten für die Präsidentenwahl im November nominiert. Frunda sei ein Instrument Ungarns und von Budapest finanziert, wetterte Iliescu. Daß der Präsident seine Kritik ausgerechnet bei einem Treffen mit der ultranationalistischen Gruppierung Vatra Romaneasca äußerte, ist alles andere als zufällig. Am 3. November finden in Rumänien außer Präsidenten- auch Parlamentswahlen statt. Schon jetzt beginnt die Jagd nach Stimmen, vor allem im nationalistischen Lager.

Die ungarische Karte wird von Bukarest aber nicht nur innenpolitisch gespielt. Die Rumänen ärgert es schon lange, daß nicht sie, sondern neben Tschechien, Slowenien und Polen auch Ungarn als einer der ersten Kandidaten für einen Beitritt zur Nato gehandelt wird. Erst unlängst hatte Iliescu vor einer neuen Trennlinie in Europa gewarnt, sollten die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten in Etappen aufgenommen werden.

Verteidigungsminister Gheorghe Tinca sprach gegenüber der französischen Tageszeitung Le Figaro sogar von einer mächtigen antirumänischen Lobby in den USA. Deren Einfluß würde wachsen, sollte nur Ungarn der Nato beitreten. Dann könne es der ungarischen Seite einfallen, sich für spezielle Beziehungen zwischen Budapest und Transsylvanien einzusetzen. So würde das Minderheitenproblem zu einem Sicherheitsproblem. Dies könne aber verhindert werden: Beide Staaten müßten dem westlichen Bündnis gleichzeitig beitreten. Barbara Oertel