Angefeindetes Ehegattensplitting

■ betr.: „Zubrot für den Patriar chen“, taz vom 22. 7. 96

[...] Das angefeindete Ehegattensplitting ist nicht so sehr ein besonders perfides Instrument zur Förderung konservativ-patriarchaler Familienstrukturen, sondern in erster Linie dazu da, Verheiratete gegenüber Alleinstehenden steuerlich nicht schlechter dastehen zu lassen. In der Tat wurde diese Regelung „unter Berücksichtigung des Grundgesetzes komponiert“, allerdings erst, nachdem die bis dahin geltende Besteuerung – Addition beider Einkommen und Anwendung der entsprechend hohen Progression – vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde.

Vom Splitting profitiert also beispielsweise auch ein Ehepaar mit – ganz political correct – ausgeglichenem Doppeleinkommen. Im übrigen ist es ziemlicher Blödsinn, zu behaupten, der weniger verdienende Partner hätte finanziell nichts von seiner Berufstätigkeit – die Splitting-Regelung geht schließlich von einer Erwerbsgemeinschaft der Ehepartner aus. Wer durchaus auf Einzelabrechnung steht, kann ja für die getrennte Veranlagung votieren.

Das eigentlich Ärgerliche ist nicht das Ehegattensplitting selbst, sondern daß es auch für Großverdiener gilt, die daraus vom Gesetz nicht bezweckte Vorteile ziehen. So kann ein besserverdienender Mann locker seine Progression halbieren, indem er eine Hausfrau ehelicht. Wer wollte andererseits dem schlechtverdienenden Arbeiter und seiner arbeitslosen Ehefrau diesen Vorteil verwehren, nur weil sie dem konservativen Familienmodell entsprechen?

Es ist also nicht damit getan, undifferenziert auf das Ehegattensplitting einzuhauen. Gleichwohl ließe sich sicher eine bessere Lösung (unter Berücksichtigung Alleinerziehender) finden, zum Beispiel durch generelle Abschaffung der Zusammenveranlagung und höhere Freibeträge für einkommenslose Familienmitglieder. Carsten Hendrych, Berlin