Schlechte Manieren

■ betr.: „Wer viel säuft, schlägt gerne zu“, taz vom 23. 7. 96; „Ostalgie- Terror“, taz vom 24. 7. 96

Ich für meinen Teil werde künftig auf Urlaub in Ossiland verzichten. Um keulenschwingende Kartoffelköppe zu betrachten, reicht ein Besuch im Neandertal-Museum, ganz in meiner Nähe.

Die Erklärung „Haß auf Wessis“ läuft übrigens ins Leere, eher scheint es sich um Aversionen gegen Personen zu handeln, deren Outfit nicht ganz dem neuen Deutschlandbild entspricht. Oder zählen etwa auch Wessi-Spekulanten zu den Opfern? Wie dem auch sei, gegen schlechte Manieren empfehle ich einen UNO-Blauhelmeinsatz. Werner Köhler, Krefeld

[...] Solche Verallgemeinerungen, wie sie Herr Seidel-Pielen vorlegt, kommen immer nur zustande, wenn dahinter ein grobes Feindbild steht. Das nützt aber wenig, weil es verdeckt, daß Rassismus ein Kennzeichen vieler Verlierer des Modernisierungsschubs in unserer Zeit ist, gleich, ob er in Ost oder West stattfindet. Die weltläufigen und -gewandten Intellektuellen des deutschen Westens nehme ich hier mal aus, auch wenn die zu all den Debatten und Problemen der deutschen Einheit bisher nur mit dem Ausmachen neuer Feinde im Osten reagiert haben.

Böswillig ist zum Beispiel die Frage, wann sich ein Ostler mal nach den Problemen im Westen erkundigt hätte. Woher will der Autor wissen, daß es das nicht gibt? In den Gewerkschaften wird darüber durchaus diskutiert. Ich selbst war auf vielen Veranstaltungen, bei denen die Lebenslagen Ost/West solidarisch verglichen worden sind. Die Medien greifen solche weichen Themen aber gar nicht auf, auch die taz nicht.

[...] Es ist bekannt, daß die Deindustrialisierung kein reines Ostphänomen ist. Und trotzdem: Nur in den ostdeutschen Regionen ist sie zusammenbruchartig und streckenweise auch völlig ohne ökonomische Notwendigkeit erfolgt. Es hat sich nun einmal gezeigt, daß auch der Konkurrenzkampf zwischen Ost und West bei Stillegungen eine Rolle gespielt hat. So etwas hinterläßt Spuren, auch wenn das keinen im Westen mehr wirklich interessiert. Überdruß an einer Debatte beendet aber die Probleme nicht, wie der Autor selbst bemerkt, allerdings nur in Zusammenhängen, die er für bedeutsam hält. Er allein will definieren und bestimmen, an welcher Stelle Überdruß am Platze ist und an welcher Stelle nicht. Das nennt man, glaube ich, Definitionsmacht behaupten. So etwas geht aber nun mal nicht, ohne daß Widerspruch entsteht.

Der wird dann wieder als ostdeutsche Larmoyanz abgetan. Es ist darum für Ostdeutsche eine logische Folge, sich von westdeutschen Bevormundungen und Vorurteilen zu lösen, gelegentlich durch strikte Abgrenzungen. Solche Tendenzen sind weit über den Einflußbereich der PDS auszumachen, da sollte der Autor sachkundiger ans Werk gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß rechte Jugendliche daraus die „Hinweisreize“ für Wessi-Klatschen beziehen. Die hau'n auch ihre ostdeutschen Altersgenossen in die Schnauze, wenn sie sich als Linke zu erkennen geben sollten oder ihnen aus anderen Gründen entgegentreten. Aus oberflächlichen Medienberichten entstehen ähnlich oberflächliche Gedankenkonstruktionen, wie sie Herr Seidel- Pielen anbietet.

Es gab kürzlich auch in Dänemark Angriffe gegen deutsche Touristen. In welches ideologische Muster würde der Autor das wohl einordnen? Bei seiner Blickrichtung vermute ich, daß er dort nur Ostler vermutet hat, die sich wieder einmal so aufgeführt haben, daß den Dänen gar nichts anderes übrig blieb, als sie zu verhauen. Ich glaube nicht, daß die Dänen übermäßig ethnozentrisch oder Nationalbolschewisten sind. Magdalene Geisler, Berlin

Wieder mal ein Artikel, der zeigt, wie wenig sich die taz bemüht, sich mit speziell ostdeutschen Problematiken auseinanderzusetzen, was auch nicht verwunderlich ist, wenn es überwiegend West-Autoren sind, die die Überzeugung haben, sich in diesem Thema besonders auszukennen.

Die Reihe von rechtsradikalen Überfällen auf Campingplätze als ein Ost-West-Problem darzustellen und darüber hinaus diese Rechtsradikalen in die Nähe der PDS zu rücken, ist ein starkes Stück Dummheit und keine Ahnung haben.

Doch das Gefährliche daran ist das Vermischen zweier unterschiedlicher Sachverhalte: Zum einen eine berechtigte Abneigung der Ex-DDR gegenüber einer Westarroganz und das Erleben von praktischem Kolonialismus der BRD, mit dem wohl fast jede/r in der ehemaligen DDR seit 1990 seine Erfahrungen gemacht hat. Und gerade in Mecklenburg-Vorpommern, mit der höchsten Arbeitlosigkeit in den neuen Bundesländern, der Rückübertragung, Privatisierung ehemaliger LPGs und Ländereien, kann dieses Denken durchaus nachvollzogen werden, wenn man diese Menschen kennt und ihre Probleme ernst nimmt. Das hat mit Rechtsradikalismus nichts zu tun, wird von Eberhard Seidel-Pielen aber damit in Verbindung gebracht, wenn er dieses Denken den Rechten zuschreibt.

Zum anderen sind die Überfälle in Mecklenburg und anderswo Ausdruck einer rechtsradikalen Ideologie, die sich gegen Linke, Ausländer, Homosexuelle, Behinderte richtet, jedoch nicht gegen „Wessis“. Wer das nicht erkennen will, verherrlicht diese Ideologie als ein Ost-West-Problem. [...] Stefan Strauß, Berlin