Aufgeputzt: Ägyptische Königin mit Riß

Ob Gemälde oder Möbel – alte Sachen, neu poliert, sind im Kommen. Kein Wunder, schließlich gibt es immer weniger davon. Die Konkurrenz unter den Restauratoren ist groß. Ein Streifzug durch Berliner Restaurationsgeschäfte  ■ Von Anja Dilk

Er ist fast doppelt so groß wie sie. Und mindestens fünfmal so alt. Sie braucht zwei Männer, um ihn zur Arbeit zu tragen. Und doch, Evelyn Balke mag ihn, diesen schwülstig verzierten Spiegel, der im Flur ihrer Wohnung an die Wand gedrückt steht. „Schauen Sie“, sagt die junge Frau und kratzt mit einem Metallstift behutsam die grünliche Farbschicht weg, „darunter kommt ganz schönes, glänzendes Gold zum Vorschein. Eine große künstlerische Arbeit.“

Evelyn Balke ist Gemälderestauratorin. Sie bringt beschädigte Bilder wieder in Fasson, repariert zerstörte Leinwände, erneuert ausgeblichene Farben. Ölbilder, meterhohe Holzrahmen säumen den engen Korridor ihrer Wohnung. Vorbei an Gipsstatuen und verspielten Kommoden führt der Weg in die hinterste Ecke ihrer Wohnung. In die Werkstatt. Dutzende von Pinseln, Tinkturen und Lösungen stehen neben Radio und Fernseher auf einem großen Werktisch. Munter sitzt Evelyn Balke auf dem Boden vor einem düsteren Altar aus dem 19. Jahrhundert. Die Gewänder von Jesus und seinen Jüngern wurden in den 60er Jahren dunkel bemalt, ihre Gesichter braun getüncht. Wie aus dem Sommerurlaub. Damals galten blaße Gesichter und goldene Gewänder eben als unschön. Mit Watte und selbstgemischter Lotion reinigt Evelyn Balke die Figuren, ergänzt das Goldmuster und stärkt die Gipsfiguren mit Hasenleim. Etwa einen Monat wird sie dafür brauchen.

Wenn an dem Altar Spachtelmasse oder Politur trocknen müssen, setzt sich Evelyn Balke an eine andere Arbeit. Da ist zum Beispiel jenes Bild der Kleopatra, das die Großeltern einst im Streit eintraten. Der Enkel läßt das Bild nun reparieren, dem Vater zuliebe, der so daran hängt. Ein zwanzig Zentimeter großer Riß klafft unter der entblößten Brust der ägyptischen Königin. Neue Leinwand muß hinterlegt werden. Keine leichte Arbeit.

Oder da ist dieses blaugrundige Gemälde. Die Tempelruine in der Bildmitte ist verblaßt, der Himmel an vielen Stellen abgeplatzt, die kleinen Gestalten am unteren Bildrand sind kaum noch zu erkennen. „Im Grunde“, sagt Evelyn Balke, „ein Totalschaden. Vor vielen Jahren muß sich schon mal ein Restaurator hier versucht haben. Er hat das Bild auf eine neue Leinwand gepappt, das Himmelsblau einfach drübergemalt. Nicht sehr professionell“, ärgert sich Balke. Der Schaden läßt sich nun nicht mehr beheben, nur mildern. Das lohnt sich eigentlich nur für Liebhaber.

Die Restauratorin hat die Kunst nach alter Art gelernt. Grundsatz: Man muß eine Restaurierung immer wieder rückgängig machen können. Deshalb verwendet sie nur natürliche Mittel, Harz- statt Ölfarbe zum Beispiel. Zweieinhalb Jahre dauerte das Studium in Florenz. Das Diplom des Instituto per l'Arte e il Restauro hängt noch heute an der Wand. „Die alten Sachen werden immer weniger“, sagt Evelyn Balke während sie mit rosa Zahnarzt-Silikon einen Abdruck vom Muster eines Goldrahmens macht. „Wahrscheinlich sind Restauratoren deshalb zur Zeit sehr gefragt.“

Zweifellos, ein Trend. Doch die Konkurrenz unter Restauratoren ist groß. Mehr noch als für Gemälde- gilt das für Möbelrestaurationen. „Die billigere Konkurrenz aus dem Osten macht es uns schwer“, sagt Rainer Leonhardt. Doch der Möbelrestaurator ist bereits seit siebzehn Jahren sicher im Geschäft. Er restauriert Stühle, Schränke, Diwane, Kommoden. Inzwischen hat er eine eigene Tischlerei, eine Metallwerkstatt, er poliert und drechselt selbst.

„Das Wichtigste ist das Vertrauen der Kunden“, sagt Leonhardt. „Deshalb können sie sich bei uns jederzeit anschauen, wie weit die Restauration ist.“ Zumal viele Möbel sehr wertvoll sind. Wie die schwedische Kommode aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die eine Kundin ersteigert hat. Wert: etwa 30.000 Mark. Hier muß das Funier ausgebessert, müssen die Beschläge gereinigt, neue Schlüssel gefertigt werden. Rund 300 Stunden wird das dauern. Allein das Auftragen der Schellackpolitur, mit der das Holz versiegelt wird, kostet etwa 60 Stunden.

Leonardts Geschäft am Gierkeplatz ist alles andere als ein Einmannbetrieb. Mit seinen sieben Mitarbeitern übernimmt er auch große Projekte in der Denkmalpflege. Die Räume der Dienstvilla von Außenminister Kinkel hat er restauriert, das Herrenzimmer im Schloß Britz und die Domäne Dahlem.

Für solche Restaurierungen dürfen nur alte Materialien verwendet werden, die schwer zu bekommen sind. Deshalb hat Leonhardt 1988 die Firma „Antike Baumaterialien“ gegründet, die sich nur um die Beschaffung alter Baustoffe kümmert. „Selektiver Rückbau“ nennt sich das: Pro Woche trägt die Firma Stein für Stein ein altes Haus ab und gewinnt so Ziegelmauersteine, Holzbalken, Dachsteine für Restaurationen.

Im Grunde ein Wahnsinn, findet Rainer Leonardt: „Da werden Tag für Tag wunderschöne alte Häuser zum Ausschlachten freigegeben, um andereswo andere alte Häuser wieder aufbauen zu können. Und wie oft landen Museumsstücke, Türbeschläge zum Beispiel, einfach im Müll.“ Sicher, für sein Geschäft profitiert Leonardt davon. Und doch wäre es ihm lieber, wenn es schärfere gesetzliche Vorgaben gäbe, um die alte Bausubstanz zu erhalten: „Die alten Häuser sind doch Teil unserer Kultur und tausendmal besser als diese neuen Hutschachteln.“