Klassik in der Kühlbox

Manche Kühlschränke sind einfach anders als andere: Sie sind mehr als stumme Zuflucht für lauwarme Cervisia, Schokopudding und Milchtüten. Manche Kühlchränke sind tolle Möbel  ■ Von Sabine Gärtner

Ein Kühlschrank ist ein Kühlschrank. Da kommt Butter hinein, außerdem Joghurt, Selters, Käse und Marmelade. Und natürlich vieles mehr: unverbrauchte Filme zum Beispiel. Oder selbstgemachte Tagescreme. So mancher friert sogar sein Erspartes ein, in der Hoffnung, dort sei es im Fall des Falles vor Einbrechern sicher.

Im Kühlschrank von Justus Krösel ist alles anders: In Gemüsefachhöhe stapeln sich CDs und Kassetten. Wo andere Schinken und Schokopudding lagern, sind CD-Player und Verstärker aufgebaut. Krösels Kühlschrank ist ein Hi-Fi-Turm. Lediglich in den Türfächern ist noch Platz für eine gute Flasche Wein, passend zur gepflegten Musik.

Justus Krösel ist Künstler. Er baut Kühlschränke zu Möbeln um. Dabei verwendet der 27jährige natürlich nicht irgendwelche ausrangierten Quader. Am liebsten hat er die bauchigen Bosch-Kühlschränke aus den fünfziger Jahren – Design muß sein. Nun ist das nicht gleich für jeden ein Grund, seine Stereoanlage hinter dicken Türen zu verstecken. Für Justus Krösel schon. „Zunächst hat mich einfach das Geräusch meines CD-Players genervt“, erzählt er. „Wenn man leise klassische Musik hört, ist das Geräusch immer dabei.“ Wie kann man dem abhelfen? Eine Idee hatte er schon bald im Kopf. Sie umzusetzen war nicht ganz einfach: „Meine Eltern hatten einen alten Bosch-Kühlschrank im Keller. Aber den wollten sie einfach nicht herausrücken.“ Bis das Gerät endlich kaputtging.

Justus begann zu basteln. „Ich mußte schon mit fünf Jahren mein Fahrrad selber flicken, weil ich es immer zu Schrott gefahren habe“, sagt er. In der Garage der Eltern machte sich Justus ans Werk: Kühlschrank ausbauen, abschleifen und lackieren. Anlage rein, Musik an, Tür zu – kein störendes Schraddeln und Surren mehr. Und schöner als ein Hi-Fi-Turm ist das allemal. Damit hätte sein Ausflug ins Handwerk beendet sein können. Aber Justus Krösel hat vier Geschwister. Und, natürlich, die anderen wollten auch so einen Hi- Fi-Kühlschrank haben.

Kaum war die Familie versorgt, zog Justus Krösel aus seiner Heimat nahe Hannover nach Berlin. „Eigentlich wollte ich hier Lebensmitteltechnologie studieren. Aber das war's dann doch nicht.“ Statt dessen richtete er sich bei Wustermark eine kleine Werkstatt ein. Inzwischen hatte sich die Kühlschrank-Idee herumgesprochen. Es gab die ersten Bestellungen außerhalb der Familie. Nach und nach wurde der Bau immer ausgefeilter: „Früher habe ich Löcher in die Rückseite gebohrt, damit die Luft zirkuliert. Heute hat der Schrank auch hinten eine Tür und einen eingebauten Ventilator. Damit es nicht zu heiß wird, springt der Ventilator bei einer bestimmten Temperatur automatisch an.“

Längst hat er seine Arbeitsmethoden perfektioniert. Das Erstlingswerk schliff er noch mit der Bohrmaschine ab. Mittlerweile werden alle Metallteile mit dem Sandstrahler abgeschmirgelt. Zum Abschmirgeln und zum Lackieren gibt er die Schränke inzwischen an Fachleute weiter. Den Rest macht er allein. „Das könnte ich in meiner kleinen Werkstatt gar nicht so perfekt hinkriegen“, sagt Justus Krösel. Doch perfekt sollte es schon sein. In so was ist er penibel.

Aber wo findet man heute überhaupt noch solche Geräte? Da hält sich Krösel zurück: „Betriebsgeheimnis.“ Nur soviel: „Manchmal gebe ich auch Annoncen auf: ,Suche alten Bosch-Kühlschrank mit runden Ecken.‘“ Tatsächlich melden sich zuweilen Besitzer. „Viele wollen lieber einen neuen Kühlschrank und schmeißen den alten weg. Seinen Wert wissen die gar nicht zu schätzen.“ Gut für Justus. Schließlich hat er sich zum Ziel gesetzt, mit seinen Schränken das klassische Design der fünfziger Jahre zu bewahren.

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