■ Englisch soll die einzige offizielle US-Sprache werden
: Americans speak English

Meine Großmutter, eine deutsche Immigrantin von der Wolga, hat nie Englisch gelernt. Sie hätte dies als Verrat an ihrer alten Heimat empfunden. Nach starken Regenfällen stand sie am geschwollenen Cimarron River und flüsterte ergriffen: „Wie die Wolga.“ Ihre Töchter konnten die heimatlichen Bräuche hingegen nicht schnell genug ablegen. Die Molke wurde weggeschüttet und Kraft's Scheibletten gekauft. This is America.

Assimilation gilt als der Prozeß, in dem die amerikanische Nation ihre einzigartige Legierung herausbildete. Dabei spielte die Übernahme der englischen Sprache eine wichtige Rolle. Doch dieser Prozeß war nie unschuldig: Er war das Ergebnis eines vielschichtigen Machtkampfes, in dem es nicht um Sprache und Kultur, sondern um Herrschaft ging. Den größten Bevölkerungsanteil Amerikas stellten bis Anfang dieses Jahrhunderts die Deutschen. Daß diese bald nicht mehr Deutsch sprachen, ist eher Unterdrückung als freiwilliger Anpassung geschuldet. Die Deutschen galten als anpassungsfeindlich – wichtiger aber war, daß sie demokratisches, gewerkschaftliches und anarchistisches Gedankengut nach Amerika brachten. Ihre Unterdrückung begann lange vor dem Ersten Weltkrieg. 1918 war die Zahl deutscher Tageszeitungen in einer Stadt wie Milwaukee von 14 auf null gesunken. Die Deutschen waren damals so verhaßt wie heute die Hispanics, gegen die sich das nun verabschiedete Gesetz richtet, das Englisch zur offiziellen US-amerikanischen Sprache macht.

Heute fürchtet Angloamerika die Asiaten wegen deren ausgeprägtem Arbeitsethos, ihrem Fleiß und dem Zusammenhalt ihrer Familien, der sie ökonomisch so erfolgreich sein läßt. Und in den Hispanics erblickt das weiße Amerika das Rebellionspotential einer neuen Unterklasse. Dies ist der Hintergrund des neuen US-Sprachgesetzes, das der republikanische Präsident des Repräsentantenhauses Newt Gingrich für eine „historische Notwendigkeit“ hält. Gewiß erleichtert sprachliche Vereinheitlichung stets die Verständigung. Aber deren Durchsetzung dient meist anderen Zwecken. Reed Stillwater