Ein Autodidakt im Lautenspiel

■ Zaza ist eine eigenständige Volksmusik. Seit Jahrhunderten leben Zaza neben Türken und Kurden. Fünf Kassetten mit Zaza-Liedern hat der Musiker Zilfi bislang aufgenommen

Zilfi wirkt wie ein seriöser Wissenschaftler mit seinen graumelierten Haaren und der schmalen Dozentenbrille. Fünf Kassetten mit Zaza-Liedern hat er bislang aufgenommen. „Zaza-Intellektuelle, die ihre Kultur bewahren wollen“, sagt er mit leiser, klarer Stimme, „müssen sich vor türkischen und vor kurdischen Militanten hüten!“

1964, mit 16 Jahren, kam Zilfi aus einem Dorf in Dersim (heute Tunceli) nach Deutschland, um in Dortmund eine Schlosserlehre zu machen. Fünf Jahre arbeitete er unter Tage, dann hatte er seine Hochschulreife gemacht, und 1973 begann er an der TU Berlin Maschinenbau zu studieren. An eine Rückkehr war nicht mehr zu denken. Seit 1971 galt in Dersim der Ausnahmezustand – bis heute. Seit Jahrhunderten leben Zaza neben Türken und Kurmanci – „Kurden“ – in dieser zentralanatolischen Region.

Die meisten Zaza sind Aleviten, einige Sunniten. 1937/38 wurde die Region nach dem sogenannten „Dersim-Aufstand“ zwischen ihren Nachbarprovinzen aufgeteilt. „Es gab keinen Aufstand“, protestiert Zilfi. „Es war eine Völkervernichtung, detailliert vom türkischen Militär geplant. Die Hälfte der Bevölkerung, etwa 80.000 Menschen, wurden vernichtet.“ 1981 lebten in der Türkei noch schätzungsweise drei Millionen Zaza-Sprecher, Opfer einer systematischen Entvölkerung und Türkisierung. Etwa 250.000 sind mittlerweile nach Deutschland emigriert, in Berlin dürften es 10.000 sein.

Schon 1969 begann Zilfi auf Urlaubsreisen die vom Vergessen bedrohten Überlieferungen der Zaza zu sammeln, Geschichten, Märchen und vor allem Lieder. „Hätten sie mich erwischt, wäre das ,Separatismus‘ gewesen, und ich wäre ins Gefängnis gewandert.“ Bis 1992 nämlich waren in der Türkei nichttürkische anatolische Sprachen verboten und galten offiziell als Dialekte des Türkischen. Zilfi brachte sich selbst das Spiel auf der kleinen Zaza-Laute „Tomir“ bei. 1976 nahm er in Berlin seine erste Kassette mit Zaza-Liedern auf. „Damals nannten sich alle ,Kurden‘“, erinnert sich Zilfi heute. Auch er war Mitbegründer der ersten „kurdischen“ Selbsthilfevereine Berlins. Daneben begann sich Zilfi wissenschaftlich mit den Zaza zu beschäftigen. 1994 bekam er für seine erste vollständige Grammatik des Zaza den Doktortitel. „Als ich die wissenschaftliche Literatur kennenlernte, war ich mir endgültig sicher, daß Zaza eine eigenständige Volksgruppe ist.“ Die Angriffe kurdischer Nationalisten, die Zaza als Dialekt des Kurdischen sehen, ist Zilfi längst gewöhnt, verbal etwa von KOMKAR, direkte Drohungen von der PKK. Von kurdischer Politik hat er sich zurückgezogen. Nun will er die Eigenständigkeit von Volksmusik der Zaza wissenschaftlich dokumentieren. Martin Greve