„Alles verbirgt sich. Das ist die Idee“ – Sekundärliteratur: Wie der taz-Olympia-Krimi entstand

Man darf das ohne allzugroße Koketterie ausplaudern: Es waren heftige Diskussionen gewesen, die sich über den Zyklus einer Olympiade erstreckt hatten, bis die Leibesübungen-Redaktion den Charakter des Karlo Mückhart entworfen hatte. Dieser Unsympath sollte Olympia grotesk verzerrt literarisch reflektieren.

Das war die Skizze, mit der der Fortsetzungskrimi „Blut in Atlanta“ in die Hände des taz-AutorInnenkollektivs gegeben wurde. Leider scherte sich die Wahrheit- Redakteurin nicht um diese Konzeption. „Der ist mir zu unsympathisch“, behauptete sie – und blies Mückhart in Folge 2 sein Stabhochspringerleben aus. Es deutete sich ein Rückzug in die Innerlichkeit an. Eine kritische Antwort auf die fragwürdige Olympia-Idylle? Jedenfalls war eine radikale Form von Literatur entstanden – völlig außerhalb der literarischen Strömungen der Zeit.

Es schien sich auszuzahlen: Eine unvorsichtige Bemerkung des Lektorats („eventuell mehr Weiber“) brachte die lyrischste Stelle: „Ihre volle braune Lockenpracht ergoß sich im leichten Abendwind von Georgia“. Dies war der Versuch, mit Eintauchen einer nicht unpopulären Schwimmerin in die Handlung die Kolportage zu stärken. Allein: „Keiner hat es verstanden“, klagte die Korrektorin, die den adelig-frivolen Charakter entworfen hatte. Im Gegenteil: Mit dem Historiker aus dem taz- Inlandressort erreichte die Betroffenheit („GESTABO“) den Krimi und antizipierte damit die Realität. Gleichzeitig war der Versuch einer psychologischen Durchleuchtung des Schuldbewußtseins eingeleitet. Die verschlüsselte Annäherung an den Transzendentalismus mag verglichen werden mit jener, die Nathaniel Hawthorne in Richtung Emerson unternahm.

Mit liebevollem Humor arbeitete die Kulturautorin, indem sie in realistischer Milieuschilderung einen deutschen Goldmedaillenschützen einbrachte, der statt 30.000 Schüssen 30.002 abgegeben hatte. Wen trafen die zwei Mehrschüsse, wäre die Frage gewesen, die sich die Medienredakteurin nun hätte stellen können.

Sie tat es nicht.

Am Tag, als das Blut Atlanta erreicht hatte, wurde im Lektorat diskutiert. Abbruch des Krimis? Allerdings gab es Verträge! „The Games must go on“, ließ frau daher den neuen Protagonisten Lt. Mellow sagen. Die taz-Reise- Chefin erklärte eine neuerliche Wendung so: „Er ist doch Spanier! Also sind wir ins Hotel hoch.“ Wir! Erstaunlich: Diese vollkommene Identifikation.

Der Städteplaner aus dem Berlin- Ressort brachte das Analytisch- Distanzierte zurück. „Alles verbirgt sich. Das ist die Idee“, sagte er einmal versonnen. „S. verkleidet sich. Das Problem war, daß Harald das nicht aufnahm. Er bringt das retardierende Element Eppel. Wobei Eppel für mich immer ein Mann war.“ Faszinierende Möglichkeiten ergaben sich, alles schien aufzugehen. Dann aber kam der Ressortleiter Umwelt. Nahm seine subtile psychologische Gestaltung nicht Elemente der Literatur des 21. Jahrhunderts vorweg? Sein letzter Satz: „Ihr Reiter ist der Neffe.“ – „Oh Gott, da kann ich nix mit anfangen“, stöhnten gestern die versammelten AutorInnen. Die Nachwelt möge anders richten. pu