■ Tarifabschluß im Einzelhandel: Verkäuferinnen gewinnen
: Kleiner, wichtiger Fortschritt

Der erste Tarifabschluß innerhalb des Einzelhandels nach der Liberalisierung der Ladenschlußzeiten ist zweischneidig. Soviel allerdings darf jetzt schon festgehalten werden: Im nicht mehr vermeidbaren Übel – den flexibilisierten Arbeitszeiten – steckt ein kleiner, aber wichtiger Fortschritt.

Traditionell haben sich die männerdominierten Gewerkschaften Handel, Banken und Versicherungen und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft um die Probleme von Verkäuferinnen wenig gekümmert. Wichtig war ihnen meist nur, daß die Arbeitszeiten nicht beliebig ausgedehnt werden konnten. Praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde von den Organisationen, daß eine moderne Dienstleistungs- und Industriegesellschaft längst nicht mehr nur mit einer Kernarbeitszeit von 8 bis 17 Uhr auskommen will. Ein eigenes Konzept in der Diskussion fehlte.

Doch frauenpolitisch haben beide Gewerkschaften seit längerem aufgeholt, was sie jahrelang versäumten: Verkäuferinnenprobleme sind ihnen, nicht zuletzt durch die Betroffenen selbst, nicht mehr nur verkappte Hausfrauenprobleme. So sind nun 1,8Prozent Lohnerhöhung sowie 20Prozent Zuschlag für die verlängerten Arbeitszeiten ausgehandelt worden: Hier haben die Organisationen den Arbeitgebern nicht viel abknöpfen können.

Positiv allerdings sind die qualitativen Weichenstellungen. Denn grundsätzlich wird künftig die längere Arbeitszeit in Freizeit ausgeglichen. In der Summe läuft dies auf eine Stunde Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich hinaus.

Und: Pauschal-, Teilzeit- und Vollzeitkräfte werden endlich gleich behandelt. Von verlängerten Arbeitszeiten können sich auf Wunsch Menschen mit Kindern, Pflegebedürftigen oder bei langen Arbeitswegen ausnehmen lassen, egal ob geehelicht, alleinerziehend, blutsverwandt oder nicht.

Bleibt nur zu hoffen, daß diese Wünsche beim Kampf um Arbeitsplätze nicht verlorengehen. In der Krise ohne großen Lohnverlust davongekommen zu sein, Frauenfeindliches korrigiert und Arbeitszeit umverteilt zu haben – das ist mehr als nichts. Mechtild Jansen