■ EU wehrt sich gegen Iran- und Libyen-Boykott der USA
: Faustrecht light

Washington spielt wieder einmal Weltpolizist. Statt mit dem Colt, wie das lange Zeit Tradition war, kämpft Bill Clinton diesmal mit Wirtschaftssanktionen um Recht und Ordnung auf der Welt. Neben den Steckbrief von Fidel Castro hat er nun auch Libyens Oberst Gaddafi und die iranischen Mullahs an die Saloontür genagelt. Der Bann trifft nicht nur die Gesuchten, auch die Hehler müssen mit dem harten Zugriff des Sherrifs rechnen. Für die EU geht es nun ans Eingemachte. Das Helms-Burton-Gesetz, mit dem die USA seit März ausländische Kuba-Investoren bestrafen, betrifft nur ein paar Unternehmen. Doch Libyen und Iran, gegen die nun das D'Amato-Gesetz gerichtet ist, sind wichtige Öllieferanten der EU.

Schon die Auswahl der Delinquenten macht klar, worum es Washington geht. Warum Libyen und Iran, warum nicht Syrien oder Saudi-Arabien, die nachweislich Gewalt und Unruhe in den Nachbarländern schüren. Die Antwort ist einfach: Syrien wird für den Nahost-Friedensprozeß gebraucht, und Saudi-Arabien ist für die USA wirtschaftlich zu bedeutend. Die EU wehrt sich also zu Recht gegen die Verlogenheit der amerikanischen Strafaktion, die Clintons Wahlkampf nützt und allen internationalen Abmachungen Hohn spricht. Denn für Wirtschaftssanktionen gegen Regierungen, die internationalen Terrorismus unterstützen, ist der Weltsicherheitsrat der UNO zuständig. Aber der steht in den USA in schlechtem Ruf, seit dort die schwächlichen Europäer aufmucken.

Aber ist es nicht genauso verlogen, wenn die Europäer ständig Wandel durch Handel predigen und damit das Recht meinen, Panzer nach Indonesien oder in die Türkei zu liefern? Der kritische Dialog mit dem Iran oder mit China ist längst zum Feigenblatt degeneriert, das die moralische Nacktheit der wirtschaftsegoistischen Außenpolitik verdecken soll.

Der Aufschrei in der EU zeigt, daß sie von der US- Aktion an der empfindlichsten Stelle getroffen wurden: am Portemonnaie. Jetzt überlegen sie, wie sie die USA mit Gegenmaßnahmen zum Rückzug zwingen können. Als Washington vor einigen Jahren Tripolis bombardierte, um Gaddafi zu treffen, begnügten sich die EU-Regierungen mit wirkungslosen Resolutionen. Damals haben die USA das Faustrecht pur angewandt. Insofern ist das D'Amato-Gesetz durchaus ein Fortschritt, Faustrecht light sozusagen. Alois Berger