: Berufsbeamtentum in der großen Krise
Im September erscheint der Pensionsbericht. Die Ausgaben für Beamte steigen ins Unermeßliche. Allein in Berlin haben sie sich seit 1961 um das Siebenfache erhöht ■ Von Annette Rogalla
Berlin (taz/AFP) – Die Ausgaben für Beamte werden in den nächsten Jahren derart steigen, daß die Finanzierung nicht mehr gesichert ist. Politiker verschiedener Parteien haben deshalb erklärt, eine Reform sei notwendig. Über konkrete Maßnahmen sind sie sich aber uneins. Herta Däubler-Gmelin, stellvertretende SPD- Vorsitzende, sagte in einem Interview, die Bundesländer sollten finanzielle Rücklagen für die Beamtenpensionen bilden. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen, Helmut Linssen, meinte, die Finanzierung der Pensionen sollte mit Hilfe von Pensionskassenbeiträgen und mit der Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre sichergestellt werden.
Däubler-Gmelin nannte Rheinland-Pfalz als vorbildliches Beispiel. Dort bildet das Land Rücklagen für die Altersversorgung. Die Politikerin wandte sich aber gegen Pläne, Beamtenpensionen zu kürzen. Wie die Renten gehörten sie zu den Einkünften und seien deshalb grundgesetzlich geschützt. Die Politikerin plädierte für maßvolle Verbeamtungen und empfiehlt, statt dessen mehr Angestellte einzustellen, da diese in die Sozialversicherungskassen einzahlen würden.
Die Bundesregierung wird im September eine detaillierte Kosteneinschätzung zur Finanzierbarkeit der Beamtenpensionen bis zum Jahr 2008 vorlegen. Eines ist jetzt schon klar: Die Kosten werden in nie gekanntem Maße steigen. Dessen sind sich auch zwei Gutachter sicher, die dieser Tage ihre Berechnungen vorgelegt haben. Gisela Färber, Professorin an der Verwaltungshochschule Speyer, schätzt, daß sich allein für die 310.000 Beamten des Bundes die Ausgaben von derzeit 25,3 Milliarden Mark auf rund 87 Milliarden im Jahr 2040 erhöhen werden. Verschlingen die Pensionen momentan noch 10 Milliarden Mark, werden es in 44 Jahren bereits 20 Milliarden sein. Auf jeden aktiven Beamten wird dann ein Pensionär kommen, meint Färber. Diese Untersuchung ist bereits vier Jahre alt und wurde 1995 überarbeitet.
Eine neuere Studie legte dieser Tage Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Er kommt zu dem Schluß, daß Beamte insgesamt nicht billiger als Angestellte sind. Seine Vergleichsrechnung für den höheren Dienst sieht folgendermaßen aus: Eine Beamtin kostet den Staat während ihrer gesamten Berufszeit 2,8 Millionen Mark. Eine vergleichbare Angestellte etwa 2,6 Millionen, also rund 10 Prozent weniger. „Diese Zahlen sind aber nicht miteinander zu vergleichen“, sagt Vesper. Denn in den Kosten für die Angestellten sind auch die Abgaben des Arbeitgebers für die Sozialversicherung enthalten. Für Beamte sind aber keine derartigen Beiträge für die Arbeitslosenversicherung vorgesehen. Ähnlich sieht es auch bei den Krankenversicherungsbeiträgen aus. Die Beamten verursachen Kosten in der Beihilfe. Die seien aber wesentlich geringer als die Versicherungsbeiträge, die für Angestellte abgeführt werden müssen. Konkret heißt dies: Für die Beamtin zahlt der Steuerzahler im Berufsleben 150.350, für die Angestellte 186.600. Vesper sagte gegenüber der taz: „Rechnet man beide Systeme bereinigt gegeneinander, ergibt sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Berufsgruppen.“ Einen Vorteil sieht der DIW-Wissenschaftler jedoch. Würde der Staat in Zukunft überwiegend Angestellte einstellen, entlaste er damit die Sozialversicherungskassen, da Bedienstete des öffentlichen Dienstes kein hohes Entlassungsrisiko tragen.
Der Bericht der Bundesregierung im September wird unangenehme Fakten offenbaren. Zum Modell der gestern vorgeschlagenen Rücklagen sagte Christoph Reichard von der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft: „Dieses Modell hilft nicht mehr viel. Es kann die ganz große Krise in den nächsten 10 bis 15 Jahren nur dämpfen.“ Die desaströsen Zahlen seien schließlich schon lange bekannt gewesen, ohne daß Politiker darauf reagiert hätten. Allein in Berlin stiegen die Versorgungsaufwendungen von 1961 bis 1994 auf nahezu das Siebenfache.
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