: Immer in der ersten Reihe?
Endlich ist es soweit. Seit kurzem sind Tagesschau und Tagesthemen mit eigenen Homepages im Web vertreten. Darauf haben wir schon lange gewartet. Sabine Christiansen, auf dem Foto Wange an Wange mit Ulrich Wickert, beantwortet so brennende Fragen wie die zu den Dingen, die sie auf eine einsame Insel mitnehmen würde, und welche Persönlichkeiten sie am meisten beeindruckt haben.
Is ja doll, aber wen interessiert das? Besser als diese Personality- Show wären aktuelle Nachrichten. Die gibt es zwar auch, als Abklatsch der jeweils letzten Sendung – aber die schaue ich mir lieber in der Glotze an. Dann kann ich mir auch das Bild-und-Ton- Plug-in „VDOlive“ ersparen, das zwar kostenlos heruntergeladen werden darf, aber mit Windows 95 und der Telekom-Internetsoftware nicht funktioniert.
Knapp vorbei ist auch daneben. Dabei wäre es doch so einfach gewesen. Da man davon ausgehen kann, daß Internet-User auch einen Fernseher besitzen, hätte man auf den Videofirlefanz verzichten und statt dessen die Möglichkeiten des Mediums Internet richtig nutzen sollen. Hier gibt es keine Sendezeitbeschränkung, und man könnte all die Nachrichten bringen, die sonst unter den Tisch fallen. Hinter
grundinformationen, ausführliche Interviews – all die Dinge, für die die Sendezeit nicht ausreicht. Der Mitarbeiterstab und das Korrespondentennetz der Tagesschau sind riesig, da wird man sich wohl noch eine kleine Online-Redaktion leisten können.
Wie so etwas gemacht wird, zeigen uns die Amerikaner schon lange: das Wall Street Journal, NBC und vor allem CNN. Hierzulande ist man offenbar der Meinung, daß Fernsehen auch im Internet Fernsehen zu sein hat – oder eine billige Eigenwerbung und Selbstdarstellung.
Daß auf Dauer gesehen solche Schnellschüsse nach hinten losgehen, liegt auf der Hand. Einmal draufgeklickt – und das war es dann auch schon. Websites sind nur dann interessant, wenn sie Inhalte und Informationen vermitteln, die ich woanders nicht einfacher oder bequemer haben kann.
Bei der Konkurrenz aus Mainz ist es noch schlimmer. Ein bißchen „WiSo“, ein bißchen Sport, ein paar Infohäppchen, so hausbacken ist der ganze Sender. Von Nachrichten keine Spur, und die Online-Quasselsendung „Netnite“ hat die Themen des letzten Monates noch nicht im Netz. „Schauen Sie bitte in einigen Tagen noch einmal vorbei!“ Offensichtlich soll jetzt Microsoft die Dinge auf die Reihe bekommen, die man eben nicht ahnungslosen öffentlich-rechtlichen Beamten überlassen darf.
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