Most wanted: Einer von zwei britischen Föten

■ Die Frage, ob frau einen Zwilling abtreiben darf, löste landesweite Debatte aus

London (AFP/dpa/taz) – Als britische LebenschützerInnen umgerechnet 115.000 Mark zusammenhatten, um ihn zu retten, da war er längst tot: einer der Zwillinge von „Miss B.“, die Großbritannien drei Tage in Aufruhr versetzt hatten.

Die Nachricht über den Fall der alleinerziehenden Mutter eines Kindes war von der Boulevardzeitung Sunday Express veröffentlicht worden. Die 28jährige sei in der 16. Woche schwanger, Ultraschalluntersuchungen zeigten zwei Föten in ihrem Bauch, berichtete das Blatt. Weil sie unter schwierigen finanziellen Umständen lebe, könne sie keine drei Kinder aufziehen; deshalb habe sich die junge Mutter entschieden, eines der beiden ungeborenen Kinder abtreiben zu lassen. Im Krankenhaus Queen Charlotte habe sie bereits einen abtreibungswilligen Arzt gefunden.

Der Fall hat landesweit eine Ethikdiskussion ausgelöst. Es sei verwerflich, wenn ein Arzt zwischen zwei Föten auswähle, welches Kind leben dürfe und welches nicht, argumentierten die einen. Es sei entsetzlich, wenn sich Finanzgebote für ein ungeborenes Kind überschlügen, sagten die anderen. Auch das liberale britische Abtreibungsrecht kam in die Diskussion. In England kann man bis zur 24. Woche abtreiben. Die Vorsitzende der Britischen Medizinischen Vereinigung, Vivienne Nathanson, sagte, die Vorstellung, einen von zwei gesunden Zwillingen abzutreiben, löse einen „instinktiven Horror“ aus. Sie vertrat aber die Ansicht, daß es sich um „eine Abtreibung wie jede andere“ handele. Britische AbtreibungsgegnerInnen verlangten über die konservative Unterhausabgeordnete Ann Winterton eine Untersuchung des Falls.

Dienstag morgen erreichte die Gesellschaft zum Schutz ungeborenen Lebens (Spuc) eine einstweilige richterliche Verfügung. Der Schwangerschaftsabbruch sollte bis gestern ausgesetzt werden, damit ein Gericht darüber beraten könne. Am Dienstag abend erfuhren die BritInnen durch die BBC, daß die Abtreibung längst vollzogen sei: „Nach mehreren Gesprächen mit namhaften Experten“, sagte der Gynäkologe Robert Winston, sei sie bereits vor einem Monat vorgenommen worden. Die LebensschützerInnen tobten.

Ziel der Attacken wurde Gynäkologe Bennett. Er hätte früher Klarheit schaffen und der Nation den Eklat ersparen müssen. „Sie haben drei Tage nichts getan, um eine qualvolle nationale Debatte auf falscher Grundlage zu verhindern“, schimpfte der Daily Telegraph. „Ich konnte die Angelegenheit nicht früher aufklären, weil ich die Zustimmung der Patientin brauchte“, beteuerte Bennett gestern. taud

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