Burgfrieden oder Reform

■ Staatsangehörigkeitsrecht: Union debattiert weiter

Selbst Nobodys können in der Politik etwas bewegen. Diesen Beweis treten die drei jungen CDU-Abgeordneten Altmaier, Röttgen, von Klaeden an. Ohne sie würde in CDU und CSU nicht derart intensiv über eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts diskutiert. Zwar spricht einiges dafür, daß die sogenannten jungen Wilden dabei große Abstriche machen müssen, doch ganz ohne Reformen wird es jetzt auch nicht mehr gehen.

Daß sich der ehemalige Justizminister Rupert Scholz bemüßigt sah, einen Kompromißvorschlag vorzulegen, signalisiert: Es muß verhandelt werden. Und bei Verhandlungen muß jede Seite nachgeben.

Der Scholz-Vorschlag trägt der wichtigsten Forderung der CSU Rechnung: keine doppelte Staatsbürgerschaft. Im Gegenzug wird auch sie einen Kompromiß eingehen müssen. Und der kann nur die Tolerierung eines Einbürgerungsanspruchs der dritten Ausländergeneration bedeuten. Denn sonst bliebe von dem Reformvorschlag der jungen Gruppe, die allen in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern einen Einbürgerungsanspruch geben will, rein gar nichts übrig. Das aber können sich die Unionsparteien nicht leisten. Die 150 CDU- Mitglieder, die den Aufruf unterzeichneten, haben genug Einfluß, um den Parteitag der CDU mit einer emotionsgeladenen Debatte zum Staatsangehörigkeitsrecht zu blockieren. Das aber wollen weder CSU noch CDU, weil sie befürchten, daß schon diese Debatte die Wähler zu den rechten Parteien treiben könnte. SPD-Chef Lafontaine hat mit seiner Polemik gegen die Aussiedler gezeigt, wie man die Reps wieder stark machen kann. In Baden- Württemberg erreichten sie wenig später bei der Landtagswahl neun Prozent.

Der Scholz-Vorschlag ist daher zwar innerparteilich durchsetzbar, aber eine vergebene Chance. Er bewahrt lediglich den Burgfrieden innerhalb der Union. Dabei könnten CDU/CSU von einer echten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts profitieren. Diese würde ihr viel Sympathie bei jenen einbringen, die schon eingebürgert sind oder in Zukunft eingebürgert werden. Kurzum: Es geht um potentielle Wähler. Und da könnte die Union, zumal bei den eher konservativ eingestellten Türken, mehr Stimmen gewinnen, als sie am rechten Rand verlieren würde. Markus Franz