Durchs Dröhnland
: Antye und Anti

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

So What heißt eine Ulmer Band aus vier Studiomuggern. Warum auch nicht? Laßt sie doch ihren Funk spielen, der vor keiner noch so eingängigen Melodie zurückschreckt. Laßt sie doch. Na und? Mochte irgend jemand Level 42? Ich meine, wirklich mögen: verehren, gut und klasse finden?

Mit Watercolours in the Rain, heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 33-36

Anfang des Jahres zogen Ixchel von Karlsruhe nach Berlin, um sich hier auf die große Karriere vorzubereiten. Bis zum Stillstand verlangsamte HipHop-Beats, kontrastiert mit einer ätherischen Frauenstimme – dieselbe Strategie war erst kürzlich überaus erfolgreich. Daß Antye, die singt und die Technik programmiert, und Jotka, der die Saiten bedient, allezeit Portishead oder mit Abstrichen auch Tricky im Kopf herumschwirren, läßt sich kaum überhören. Von den großen Vorbildern lenkt eigentlich nur die deutsche Sprache ab. Ein Schaben hin und wieder auch. Nicht sehr unfreundlich, aber halt auch nicht so höflich und geschickt versteckt wie bei Portishead. Ansonsten stellt sich das gleiche Problem wie bei den Vorreitern: Man kann nicht richtig dazu tanzen, es hört sich nur so an. Ixchel verbindet Avantgarde, Tanzboden und Ohrensessel und war auch die Mondgöttin der Mayas. Mondschein und solche Musik ... Das könnte recht niedlich werden.

Morgen, 21.30 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170, Mitte

Wußten Sie übrigens, daß es Indie-Rock noch gibt? Disabled Forces, eine Band, die sich Ende der 80er in Berlin gründete und nun die erste CD im Eigenverlag herausbringt, hat die Schublade für sich reklamiert und wird sie nun wohl recht alleine bewohnen müssen. Die Indie-Vorstellungen des Quartetts gehen kaum über althergebrachte Darkrock-Klischees hinaus. Bösewichtige Stimmbänder, getragene Gitarren, Mid-Tempo- Rhythmen, so lau kann dieser Sommer gar nicht sein.

Record Release Party am 11.8., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Da Authentizität in der Folkmusik nicht ganz unwichtig ist, haben Fata Morgana gute Karten. Oruc Gürbüz, der zwar seit 15 Jahren in Berlin lebt, aber im aserbaidschanischen Teil der Türkei aufgewachsen ist, hat sich mit zwei deutschen Musikern zusammengetan, die sich auch sonst gern im Ethnobereich rumtreiben. Bei Hora Colora hat immerhin Anti von Klewitz, die eine Hälfte des Duos, ihre Kindheit in immer anderen Ländern verbracht und den ersten Geigenunterricht in Zagreb genossen. Die beiden Ensembles werden gemeinsam fiddeln, klarinetten, trommeln und klöppeln. Dann kommen noch 4Free Hands dazu mit Hans Hartmann, dem notorischen Bassisten mit extra konstruiertem E-Bass, der aussieht wie ein zu groß geratener Zahnstocher.

11.8., 20 Uhr, Pfefferberg, an gleicher Stelle noch mal nur Hora Colora am 13.8., nur Fata Morgana am 14.8., nur 4 Free Hands am 15.8. Alles umsonst!

Lagwagon kommen aus San Francisco und repräsentieren die momentan perfekteste Ausformung von Melodycore, seit man von den Doughboys nicht mehr viel gehört hat. Zeitgleich entkleiden sie den Hardcore von Überflüssigkeiten und protzen mit der puren Struktur, wie es vor ihnen schon All taten. Das ist selten böse, aber immer knackig wie Eisbergsalat.

13.8., 20 Uhr, Tommy-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg

Irgendwann Ende der 80er wurden in irgendeinem, höchstwahrscheinlich ziemlich schmuddeligen Übungskeller zum erstenmal Hardcore und Metal miteinander versöhnt. An solchen Schnittpunkten entstehen oft die schönsten, klarsten Momente von Musik, ein unsicheres Tasten, ein verschämtes Probieren, das noch nichts von historisierenden Artikeln wie diesem weiß. Jud haben es irgendwie geschafft, diese Momente für sich wieder heraufzubeschwören. Mal probieren sie das enervierend langsame Rotieren um ein Riff aus, mal lassen sie die schiere Gewalt verzerrter Gitarren nachhallen, als wären derlei Ansätze nicht schon längst überholt. Die ultrakurz geschorenen Haare des Trios aus Los Angeles erzählen von babyhafter Unvoreingenommenheit, die alten Augen von einer Schläue, die weiß, daß solche Momente nicht beliebig wiederholbar sind. Jud haben schon Banderfahrung hinter sich, das hört man, auch wenn sie sich bemühen, zu ihren frühesten Erfahrungen zurückzukehren. Die Schäbigkeit des Augenblicks, der noch nichts von seiner später einmal gefeierten Größe weiß, findet ihren Ausdruck auch in einer gewissen Schäbigkeit der Musik – von den üblichen Finanz- und Aufnahmeproblemen mal ganz abgesehen.

Auf der Suche nach dieser Schäbigkeit sind auch Jud, wenn sie Beatles-Melodien mit dem typischen Beatles-Hall (wie aus „Yellow Submarine“) versehen und es sich doch ganz und gar nicht nach den echten Beatles anhört. Wenn sie ein wunderschönes Gitarrenriff entdecken, das garantiert schon hundertmal benutzt wurde, und es dann so spielen, so überzeugt, so fröhlich, als hätten sie den Stein der Weisen entdeckt – nur um dann plötzlich abzubrechen und den Bass nachdenklich auf die Suche nach einer Lösung zu schicken. Wenn sie sich nicht entscheiden können zwischen dem, was ihnen Pop bieten könnte, und dem, was entfesseltes Losstampfen im Punkrhythmus verspricht. Wenn alle Möglichkeiten offenzustehen scheinen, alles erreichbar scheint und nichts verboten. Jud sind das, was man sich wünschen darf, wenn man heutzutage noch eine Schwäche für Punkrock hat. Was gibt es da mehr zu wollen.

14.8., 21 Uhr, Keller im Lindenpark, Potsdam, Stahnsdorfer Straße 76 und am 15.8., Duncker, Dunckerstraße 64 (Eintritt frei) und noch mal am 6.9. im Knaack Thomas Winkler