„Da hat Gremliza schon recht“

taz-Serie Rebellen & Querköpfe, Folge 5: Peter May, Regisseur, Dramaturg und Schauspieler  ■ Von Nele-Marie Brüdgam

Da mietet einer ein kleines altes Theater, setzt sich die „Pflege der guten Weltliteratur zu volkstümlichen Preisen“ zum Ziel, entwirft und bastelt Bühnenbilder, inszeniert und steht fast jeden Abend selbst auf der Bühne. Das bringt ihm ein wenig Ruhm und sehr wenig Geld ein, doch was stört's den, dessen ganz große Ideale „Che und Fidel, die politischen Persönlichkeiten unseres Jahrhunderts“ sind?

Es gibt ihn wirklich: Er heißt Peter May, ist 56 Jahre alt und gebürtiger Wiener. Seit bald zehn Jahren leitet er das Theater Imago auf der Fleetinsel.

Bei der freundlichen Begrüßung nach dem „Peter May als Steppenwolf“-Abend merkt er an: „Ach ja, die Kinder-FAZ. Da hat der Gremliza schon recht!“ Womit er auch schon eine seiner Leitlinien preisgegeben hätte: Entschlossenheit, friedliche Rebellion – und viele Zitate von Hermann Gremliza, viel Verehrung für konkret. Daß die „Kinder-FAZ“ ihn nun in die Rubrik der Rebellen und Querköpfe aufnimmt, findet May „äußerst schmeichelhaft“. „Es beweist mir, daß ich keinen ganz schlechten Weg gegangen bin“, sagt er und präzisiert: „Ich kämpfe ja nicht mit der MP, sondern mache einfach den Mund auf, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“ Weshalb der Kritiker May mindestens so bekannt ist wie der Theater-May.

Damit fängt es im täglichen Leben in seinem Viertel schon an: Wenn wieder einmal die Knöllchen-Verteiler ihre Runde machen, „dann schreie ich über die Straße: ,Ihr Zettelschreiber, ihr Schmarotzer!' Und wenn die blöd gucken, können sie von mir erfahren, daß andere Leute für ihr Geld arbeiten! Denen geht es doch nur darum, daß die Bonzen vom Steigenberger-Hotel freie Fahrt haben!“

Besonders gern und häufig äußert May seinen Mißmut in Leserbriefen. Stolz hat er einen Ausschnitt aus der Morgenpost ins Fenster seines Theaters gehängt, in dem er sich über Egbert Kossak beschwert. „Wenn einer Visionen hat, dann braucht er einen Arzt. Nicht so als Oberbaudirektor!“ bekräftigt er noch einmal und regt sich fürchterlich über diesen „ungeheuerlichen Stadtzerstörer“ auf.

Die Maysche Liste der „Kröten“ und „Verbrecher“ ist lang und umfaßt vor allem Politiker und Beamte, gleich welcher politischen Ausrichtung. Schließlich seien die Grünen auch nur die „Post-Liberalen der Republik“, und die PDS bestehe aus „Sozialdemokraten, die alles tun würden, um an die Macht zu kommen“. Mittlerweile weiß May allerdings gar nicht mehr, wohin er seine Leserbriefe schicken soll. Kein Verlaß mehr auf die Mopo mit ihrem „Yuppie-Direktor“, die taz sei „auch schon mal linker“ gewesen, und die Bild, eine „professionelle Dreckschleuder“, hat bei ihm seit jeher Hausverbot.

Da das Projekt Imago ein „von Monat zu Monat unmögliches Rechenexempel“ ist, führt May seit Jahren auch einen beharrlichen Kampf um Subventionen – bis heute ohne Erfolg. Lutz Kilzer, den kürzlich pensionierten Theaterreferenten in der Kulturbehörde, wollte May sogar schon einmal verklagen. Doch dieser Versuch wurde vom Verwaltungsgericht abgeschmettert. Trotzdem ein kleiner Erfolg, findet May, auf die untragbare Situation und einen „bornierten Entscheidungsträger“ aufmerksam gemacht zu haben.

Auch mit Christina Weiss hat er seine Probleme, „die fuhrwerkt doch nur nach eigenem Gutdünken herum“. Und auch sie sei indirekt der offiziellen Bundespolitik hörig: „Wer schon am Boden liegt, muß noch getreten werden.“ Ein besonders positives Gegenbeispiel für staatlich geförderte Kultur ist für ihn Kuba: "Die haben da die besten Ballettgruppen, sind Spitzenklasse in Tanz und Sport!"

Doch nicht nur die fehlende Unterstützung der laufenden Bühnenproduktionen, sondern auch die Gebäude-Situation macht Theatern wie dem in der Admiralitätstraße in der Neustadt zu schaffen. Denn mit der Neubebauung der Fleetinsel gab es vor Jahren angeblich zunächst den Plan, die Häuserzeile abzureißen - nach dem Motto "Freie Sicht für die Magnaten", wie May es nennt.

Schließlich kaufte 1989 der Rechtsanwalt und Mäzen Hans-Joachim Waitz, der sich später auch in der Hafenstraßengenossenschaft engagierte, das Gebäude von der städtischen Sprinkenhof AG. Nach einigen juristischen Zappeleien, für die May sich mit den Leuten vom benachbarten Westwerk zusammengetan hatte, kam ein Vertrag zustande, der für zehn Jahre einen verträglichen Mietpreis vorsieht.

Und was kommt dann? An Zukunftsplänen mangelt es May nicht: Zum einen träumt er von einem größeren eigenen Theater, zum anderen kann er sich sogar vorstellen, unter einem fremden Bühnen-Chef zu arbeiten – vorausgesetzt, diese Arbeit wäre künstlerisch oder auch finanziell interessant.

Denn „eine schöne Wohnung mit Blick auf die Alster“ würde May sich schon gerne gönnen. Außerdem hat er die Idee, eine eigene Zeitung zu machen, zum Beispiel ein „linkes Boulevardblatt, das den Leuten auf den Mund schaut, wie früher die St. Pauli Nachrichten“. Ein bescheidenerer Wunsch ist, endlich einmal Kuba zu besuchen. Bisher hatte Peter May dafür nie genug Zeit, „aber zum Glück ist Fidel ja noch gesund!“