Das Portrait: Der Fashion-Guru
■ Ossie Clark
Seine Eltern hatten ihn zum Maurer erkoren; da schaffte er den Sprung auf die Technische Hochschule zum Bauingenieursstudium. Dort lernte er zwar nichts, was einen guten Schneider ausmacht, behauptete aber den Rest seines Lebens, sein Studium habe die Grundlage für seinen späteren Werdegang gelegt. In den 60er Jahren schmückte sich „Swinging London“ mit Klamotten, die Ossie Clark entworfen hatte. Und er war nicht nur kreativ und subversiv, sondern ein Working-class-Wunderkind, wie die Szene sie liebte und brauchte.
Ob Mick oder Bianca Jagger, Jimi Hendrix, Liz Taylor, Twiggy oder Marianne Faithfull – Ossie Clark war für die Modewelt der 60er das, was seine Kunden für die Musik- und Filszene bedeuteten: ein entscheidender Teil der britischen Jugendkultur, die von London aus die Welt eroberte. Jetzt trauern seine Fans und Freunde um ihn.
Am Mittwoch abend lockte ein Anruf die Polizei in Clarks Wohnung in West- london. Dort fanden sie ihn – erstochen auf dem Fußboden. Ein 28jähriger steht im Verdacht, den 54jährigen Designer ermordet zu haben und wurde festgenommen. Warum, weiß man nicht.
Feinde geschaffen hatte sich Clark mit seiner jähzornigen Art immer wieder. Vor einem halben Jahr krachte er an einer Tankstelle mit Vollgas in ein Auto, das seiner Ansicht nach zu lange eine Zapfsäule besetzt hielt. Als die Polizei eintraf, biß er kräftig zu, brüllte „Arschloch“, wurde zu zwei Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Schon vor zehn Jahren feuerte ihn der „Chelsea Arts Club“ wegen alkoholisierter Ausfälle.
Doch auch damals war sein Glamour schon verblaßt: Hatte er es in den 60ern binnen kürzester Zeit an eine der populärsten Boutiquen an der Kings Road gebracht, wurde sein kreativer Instinkt später nie von kommerziellem begleitet. Pläne, eine Ladenkette zu eröffnen, scheiterten, seit Jahren war Clark nur noch als Gelegenheitsdesigner tätig. Entfremdet von der materialistischen Madonna-Welt der 80er (wie er es empfand – auch sein eigenes früheres Leben nannte er nur noch „unreal“), zog er sich zurück: In den Buddhismus, auf lange Spaziergänge, Ausflüge in die Schriftstellerei. Vergessen wurde er nicht. „Eine Tragödie“, erklärte Vivienne Westwood, als sie von seinem Tod erfuhr. Jeannette Goddar
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