Dokumentation
: „Ihr seid Schweine, Betrüger seid ihr!“

■ Michalczewski und die Rocchigianis parlieren über die WM-Kampfregeln

Sonntag früh. Nach der abgebrochenen WBO-Halbschwergewichts-WM („technisches Unentschieden“). Ein Bierzelt auf dem Hamburger Dom. Von links nach rechts auf dem Podium: Christine Rocchigiani (Ehefrau, kariertes Kostüm), Graciano Rocchigiani (Nicht- Weltmeister, relativ unversehrt), Emanuel Steward (sein Trainer, sauer), Übersetzerin (zunächst selbstsicher), Francisco Valcarcel (WBO-Präsident, grinsend), Klaus-Peter Kohl (Promoter, angeschlagen), Dariusz Michalczewski (alter und neuer Weltmeister, zunächst schweigsam). Kohl ergreift das Wort.

Anmerkung: Bei Schmeling – kein Wort ist erfunden.

Kohl: Ich selbst habe Rocky geraten, zu Steward zu gehen.

Rocchigiani: Stimmt nicht. Das ist ein Lügner.

Kohl: Ich möchte das richtigstellen.

Rocchigiani: Interessiert doch keinen.

Kohl (Promoter): Die Regeln sagen... (setzt an zu einem Monolog über die Regeln)

Rocchigiani: Wozu gibt es einen Ringrichter? Sonst können wir gleich einen Straßenkampf machen.

Kohl: Das ist doch an den Haaren herbeigezogen.

Rocchigiani: Um das kurz mal zu sagen, Herr Kohl: Boxen geht nach Regeln. Sonst brauchen wir keine Regeln. Aber die braucht man anscheinend auch nicht. Hier wird immer ohne Regeln gekämpft. (Beifall im Publikum)

Christine Rocchigiani (bisher ungewöhnlich still): Das gibt es überhaupt nicht, daß Fernsehbilder entscheiden.

Michalczewski (dazwischen): Wenn jetzt schon die Frauen von Boxern entscheiden ... ich glaube, ich hole meine Frau auch...

Christine R. (wird lauter): Bist du ein Gegner von Frauen, Dariusz?

Michalczeswki: Nein. Aber wenn ich Leute sehe, die keine Ahnung haben ... vielleicht hol' ich meine Tante. Die will auch was sagen. Ich möchte nicht, daß die Frauen ... meine Mutter will auch was sagen ... ich gebe Graciano ein Rematch.

Emanuel Steward: Es geht nicht um den Rückkampf. Es geht um das Recht. Eigentlich müßte Graciano Champion der Welt sein.

Christine R.: (klatscht)

Steward (liest vor, angeblich aus WBO-Statuten): ...wenn ein unabsichtliches Foul vorliegt, sollen die Punktrichter auf ihre Karten schauen. Und wer die meisten Punkte hat, ist Sieger.

Michalczewski: Wenn mir einer in die Eier haut, kann ich doch nicht weiterkämpfen. Das ist nicht fair.

Präsident Valcarcel (lächelnd): Ich kann meinem lieben Freund Emanuel nicht zustimmen. Die Regel, die er vorliest, ist nicht die, die angewendet werden muß.

Steward (trocken): Bullshit.

Christine R.: Hier sind die Regeln (winkt mit angeblichen Regeln).

Michalczewski: Ich hole jetzt meine Mama. Schreit) Mama, bist du da?

Präsident: Darf ich weitermachen?

Präsident: Referee O'Neill verwarnte Rocchigiani und damit machte er klar, daß der Schlag illegal war.

Übersetzerin: ..., daß der Schlag legal war.

(Es kommt zu Tumulten im Publikum)

Präsident: ...daraufhin muß man zu den Punktzetteln gehen.

Übersetzerin: ...daraufhin hat der Ringrichter Rocchigiani disqualifiziert.

Rocchigiani (springt auf, erregt): Ihr seid Betrüger! Schweine seid ihr!

Steward (liest Regel vor.)

Präsident: Es kommt nicht darauf an, ob es absichtlich oder unabsichtlich war.

Michalczewski: Ich möchte was sagen: Foul ist ein Foul. Wenn mir einer auf die Eier haut, ist es ein Foul.

(Ein Mann greift das Mikro. Er stellt sich als „Notar“ vor.)

Notar (erregt): Herr Rocchigiani wird hier in eine Situation gebracht, der er sprachlich nicht gewachsen ist ... weil die Übersetzerin falsch übersetzt.

Übersetzerin (beleidigt): Vielleicht übersetzt mal die Übersetzerin dahinten. (Zeigt auf andere Übersetzerin).

Christine R.: Ich verstehe überhaupt nicht, was hier gesagt wurde. Vielleicht können wir mal eine Alsterfahrt machen. Mitschrift: pu