Duale Synapsenmassage

■ Humorgebirge und Kakophonie gegen die Rock-Klischees oder Härte ohne Augenzwinkern: King Buzzos Melvins treten am Montag gegen Prong an

Wessen Synapsen in den letzten zehn Jahren jemals nach intensiver Massage verlangten, kann an keiner der Bands, die am Montag in der Markthalle auftreten, vorüber gegangen sein. Prong und die Melvins, das ist die Befreiung von Rock durch Rock und von Metal durch Metal. Beide Bands sind Trios, beide führen ihre jeweilige Musikrichtung auf deren Grundwerte zurück und konzentrieren sich auf Verdichtung und Dynamik.

Den Höhepunkt dieser Entwicklung hatten Prong 1990 erreicht. Ihr Album Beg to Differ war Härte ohne jegliches Ornament, kein Nachschwingen von Akkorden, kein Augenzwinkern. Aus diesem Kältetal von größtmöglicher Ehre heraus begannen die New Yorker das Material wieder anzureichern und gelangten zu vielen sperrigen und einigen großartigen Ergebnissen – und zu etwas Erfolg.

Die Melvins ließen sich derweil nur schwerlich auf etwas festschreiben. Einmal lag ihre hauptsächliche Stärke in der endlosen Dehnung von Sequenzen, und herkömmliche Rock-Songstrukturen schienen ihr Feind. Doch dann machten sich die Menschen aus Seattle auf und rockten das Klischee, bis es am Boden lag. Die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede in ihren konventionell strukturierten Krachern lagen in vielen Details, in King Buzzos spottender Stimme, in Überspitzungen, in brutaler Dynamik, in der knochentrockenen Produktion und vor allem natürlich im Kontext. Denn drumherum war Hysterie oder Schweigen, Kleinstgeräusche und Kakophonie. Die Melvins wahren stets die Balance: Je mehr Pop-Stücke ihnen herausrutschen, desto grausamere Klangerkundungen werden mit auf den jeweiligen Tonträger gebannt. Damit waren die Menschen, die Kurt Cobain zur Musik brachten, seit jeher zu anstrengend für ein breites Publikum.

Was damals gut war, ist heute noch besser. Das gilt zumindest für die Melvins. Die sind so selbstverständlich gebrochen, daß in die tiefen Spalten problemlos riesige Humorgebirge passen, oder haufenweise Spielkram. Den Melvins ist nichts peinlich, ihr Koordinatensystem schließt nichts aus, sondern hebt das verwendete Material auf eine neue Stufe.

Dagegen klingen die immer noch schwarzen Prong heute, als wären sie von der Zeit, die sie selbst mitbegründet haben, beleidigt. Ihre neue Platte ist ein Bastard aus humorlosen Zitaten, halbgaren Melodien und überzogener Produktion, der in keine Richtung funktioniert. So hat diese Kombination aus Bands mit entgegengesetztem Besitz ihrer Kräfte für Prong etwas Fatales: geehrt und gleichermaßen in Zugzwang gebracht durch den unschlagbaren Support, werden sie noch einmal Konzentration und Stärke finden müssen oder sie dürfen das Spiel wieder von vorne beginnen. Uschi Steiner Mo, 19. August, 21 Uhr, Markthalle