Richtig mit Hintergrund

■ Hamburg hat mit „Hundspost“ eine neue Zeitschrift für Literatur

Seit drei Jahren geben Philip Mißler und Christian Buhl die vierteljährlich erscheinende Hundspost in Göttingen heraus, und daß sie sich – als schriftstellerisch und als journalistisch Tätiger – damit auch selbst ein Forum schaffen wollten ist, wenn man das Resultat betrachtet, nicht negativ zu sehen. Die beiden, anfangs Studenten in Göttingen, haben nämlich nicht eine Postille für ein Splittergrüppchen geschaffen. Sie versuchen Autorenstimmen aus der ganzen Republik für ihren Chor zusammenzubekommen, und es gelingt ihnen.

„Ursprünglich wollten wir damit in Göttingen bestehende Literaturzirkel, in denen die Leute vor sich hinmachten, verbinden,“ erzählt Blattmacher Christian Buhl, der im wirklichen Leben Rechtsreferendar ist. Angesichts des mangelnden Interesses der Szene vor Ort an Austausch und Zusammenarbeit, beschritten Mißler und Buhl einen anderen Weg: „Wir nahmen uns vor, Göttingen nur als Standort zu nehmen, aber Autorinnen und Autoren von außerhalb zu veröffentlichen. Irgendwann haben wir uns aber gesagt, daß wir von der Anthologie in Zeitungsformat weg und zur richtigen Zeitung kommen wollten: Da sollte es ausgewählte Prosa geben, aber eben auch Hintergrund, etwas über Literatur.“

Bei den Texten sollen „möglichst harte Qualitätsmerkmale“ angelegt werden. „Wenn wir etwas geschickt bekommen, prüfen wir es erst einmal sorgfältig. Vor allem versuchen wir aber, aktiv auf Leute zuzugehen. Wir wollen nicht mehr nur warten, bis wir etwas zugeschickt bekommen. Wenn wir etwas Interessantes sehen, sprechen wir die Leute an.“

Inzwischen entsprechen die beiden Schwerpunkte – literarische Texte ersterhand einerseits und Texte zur Rezeption von Literatur sowie Hintergrund andererseits – auch den beiden Redaktionsadressen der Hundspost: „Von Göttingen aus wird im Prinzip der Prosaschwerpunkt gemacht, was eine sehr aufwendige Geschichte ist. Dafür ist vorrangig Philip Mißler verantwortlich. Ich mache von Hamburg aus das Beiblatt, den kulturellen Hintergrundsteil.“

Ganz polemisch beginnt die Nummer 1/96 der Hundspost mit einem Aufmacher der beiden Herausgeber Buhl und Mißler zur „Lage der Nation“ Alle Macht den Doktoren!, mit dem Untertitel Das Feuilleton wird zum Oberseminar, die Schriftsteller zu Wissenschaftlichen Mitarbeitern. Nach diesem Schwanengesang auf die älteren Herren wird das, was der Aufmacher postuliert – die Öffnung zum Neuen, das Wahrnehmen von Pop-Literatur, der Verzicht auf Genre-Begrenzungen – umgesetzt. „Beat-Altmeister“ Jürgen Ploog ist da gleich doppelt vertreten: Mit seinem Text Globeville, die Stadt des verlorenen Blicks, aber auch mit einer Besprechung von Franz Doblers Roman Der Sprung aus den Wolken.

Spannend sind die Home-Stories über den vielfach preisgekrönten Prosisten Mattis Manzel und die Hamburger Institution Peggy Parnass. Außerdem gibt es Stories, Rezensionen, ein Gespräch mit einer Literaturagentin – und eine brauchbare Liste von Ausschreibungen zu Preisen und Anthologien. Lesestoff also ebenso wie die brotmachende Information. Und seriöse Mitarbeiter für das Beiblatt werden auch noch gesucht.

Thomas Plaichinger

Hundspost: vier Mark, Kontakt: 040/4391878