Der Barbier von Bebra (14)

■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel

Was bisher geschah: Mit seiner Intrige gegen Gisela Güzel hat Mirko Pril Kommissar Hunter zur Weißglut gebracht.

„Du willst also nicht singen?“ raunzte ihn Kommissar Hunter an. „Dann singe ich dir jetzt mal was vor, du Gratisdackel! Gestern abend habe ich einen Kerl erwischt, der mir das Ding da heimlich in den Briefkasten stopfen wollte. Ich brauchte ihn nur einmal kurz zu schütteln, da hat er schon ausgepackt: Du bist der Auftraggeber! Und stiehlst mir meine Zeit mit diesem Tünnef! Du bist ja sogar zum Petzen zu blöde!“ Er schlug sich mit der Faust in die hohle Hand. „Weißt du überhaupt, wovon du mich abhältst? Irgendwo da draußen läuft ein Irrer rum und sammelt Bärte! Und dann ist da noch Jakob Moneta, der Mann mit den tausend Gesichtern! Der König der Verbrecher! Ich habe ihn mein Leben lang gejagt, und ich werde ihn kriegen! Das ist meine Obsession, mein Steckenpferd, wenn nicht sogar mein Hobby! Und du kommst mir mit diesem Häkelzeug!“

Angeekelt drehte sich Kommissar Hunter dreimal um die eigene Achse, machte einen Kopfstand und schoß in die Decke. Danach ging es ihm besser.

Mit schwacher Stimme fragte der Praktikant: „Bin ich entlassen?“

Kommissar Hunter setzte sich. „Du hast noch eine letzte Chance. Ich gebe dir einen Geheimauftrag. Hör gut zu. Ich sage es nur ein einziges Mal.“ Er erklärte ihm, was zu tun war.

Dankbar rappelte Pril sich auf.

„Und vergiß nicht, dich zu waschen“, sagte Kommissar Hunter und zog die Nase kraus.

Pril ging. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf Kommissar Hunters geräumigem Gesicht aus. „Stirb langsam, Pril“, sagte er, im Bewußtsein, gegen Ende seiner Laufbahn noch einmal etwas richtig Gutes getan zu haben.

*

Der Hungerstreik in Greiz begann für Lutz pünktlich um zwölf Uhr mittags mit einer opulenten Schweineschnitzelmahlzeit an der Busbahnhofsbude. „Schwein auf Bier, das gönn' ich mir“, nuschelte Lutz. „Diesen Hungerstreik kann ich nur mit einer guten Grundlage durchhalten!“

Die anderen drei Hungerstreikenden hatten sich bereits mit Grableuchten und Filzschlafsäcken mitten auf der Durchgangsstraße hingelagert. Zornig knöterten die Fahrer der blockierten Lastkraftwagen aus den Seitenfenstern heraus und hupten bitterlich, während sich der Verkehr staute. Aber die Streikenden ließen sich weder einschüchtern noch vertreiben.

Ganz im Gegenteil, sie wurden frech. „Im Spiegelstein drachenköpfiger Gipfel fällt die begrabene Zeit wie Beton von unserer Stirn“, krakeelte Günter Ullmann aus seinem Schlafsack heraus und erweckte damit die Aufmerksamkeit eines Brummifahrers, der Billigbeton aus Sachsen geladen hatte.

„Wie meinen Sie das?“ fragte der Fahrer und kletterte aus dem Führerhäuschen.

Günter Ullmann rief: „Wir müssen den Tag durch den Felsen schlagen, die Steine das Schwimmen lehren und den Tunnel mit Licht verschließen!“ Das wußte er aus einem seiner eigenen Gedichte.

„Welchen Tunnel?“ brüllte ein anderer Trucker. Immer mehr Fernfahrer stiegen aus und diskutierten hitzig. Hier mußte ein Tunnel hin, das hatten sie eigentlich schon immer gefordert. Der Verkehr war inzwischen bis weit über die Stadtgrenze hinaus zum Erliegen gebracht worden.

Freya Klier war es, die ein Händchen für Wesentliches bewies und Worte von revolutionär-urchristlicher Dimension fand, als sie den aufgebrachten Verkehrsteilnehmern zurief: „Wer bei uns mitmacht, kriegt eine Extrawurst!“

Binnen kurzem hatten sich Tausende dem wilden Streik angeschlossen. Weil es ein Hungerstreik war, ließ Freya Klier die nahe gelegene Brätlbude von entschlossenen Truckern gewaltsam schließen.

Fortsetzung folgt

Erscheint im Herbst bei Edition Nautilus