: Unfähig gegen Neonazis
■ Kritik an zögerlichem Polizeieinsatz gegen rechtsextremen Heß-Aufmarsch
Frankfurt/Main (taz) – „Es ist eine Schande, daß es den Neonazis ausgerechnet in ihrer rheinland- pfälzischen Hochburg Worms gelungen ist, bundesweit den größten öffentlichen Aufmarsch tatsächlich durchzuführen.“ Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Landtag von Rheinland-Pfalz Bernhard Braun warf gestern in Ludwigshafen vor allem dem Verfassungsschutz des Landes und der Polizei vor, die Demonstration der Neonazis am vergangenen Sonnabend in Worms nicht – „wie überall sonst in der Bundesrepublik“ – schon im Vorfeld verhindert zu haben. Rund 250 rechtsextreme „Heß-Pilger“ waren zunächst durch Worms gezogen und hatten anschließend am Kriegerdenkmal eine Kundgebung abgehalten. Erst beim Abmarsch griff die Polizei ein und nahm 146 Personen vorübergehend fest.
Auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten Heinz Putzrath kritisierte in Bonn scharf, daß die Beamten „zugesehen“ hätten, wie die „Nazi-Rowdys“ mit ihrer Versammlung „die Demokratie vorgeführt“ hätten. Die Polizei in Worms, so der 79jährige Putzrath, sei „entweder unwillig oder unfähig“ gewesen, die Kundgebung zu verhindern. Der Vorgang sei vergleichbar mit dem Neonazi-Aufmarsch 1993 in Fulda. Auch damals hätten Hunderte von Rechtsextremisten durch die Stadt ziehen können, ohne daß die Polizei eingriff. Im Polizeipräsidium in Kaiserslautern hieß es am Sonntag, daß die rasch nach Worms beorderten Einsatzkräfte dort erst eingetroffen seien, als die Rechtsextremisten ihre Kundgebung bereits beendet hatten. Dann aber seien die Beamten „sofort“ gegen die Neonazis vorgegangen. Gegenüber der taz hatte am Sonntag eine Augenzeugin berichtet, daß die Polizeibeamten, die eine Stunde zuvor die Neonazis beim Abmarsch vom Domplatz beobachteten, diesem Treiben tatenlos zugesehen hätten: „Es sah fast so aus, als ob die Angst vor denen gehabt hätten; die sind so martialisch aufgetreten.“ Die Bündnisgrünen im Mainzer Landtag haben angekündigt, auf eine Klärung der Hintergründe für den Aufmarsch zu drängen. kpk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen