„Beutekunst betrifft auch Europa“

■ Im Gespräch: Doris Lemmermeier, Herausgeberin der internationalen Zeitung „Spoils of war“ mit Lesern in 30 Ländern über die Kriegsbeute-Diskussion, Verhandlungen und falsche Fakten.

„Spoils of War“ (Kriegsbeute) heißt der „International newsletter“, dessen dritte Ausgabe kürzlich erschienen ist. Die Hefte – unaufwendig gestaltet – enthalten Ausführungen internationaler Experten zum Thema Beutekunst. Koordiniert wird „Spoils of War“, das ausschließlich englischsprachige Beiträge enthält, von der Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern, einer Dienststelle des Bildungssenators. Hinter dem komplizierten Namen verbirgt sich Doris Lemmermeier. Über die große Resonanz des Newsletters, der mittlerweile bei einer Auflage von 1.000 Exemplaren in 30 Ländern verbreitet wird, ist die gelernte Slawistin selbst verblüfft ...

Doris Lemmermeier: Wir waren von der positiven Reaktion wahnsinnig überrrascht und haben die Auflage schon verdoppeln müssen. Wir kriegen unheimlich viel Zuschriften aus der ganzen Welt; neulich ging eine Bestellung aus Nigeria ein.

Wozu dient „Spoils of War“?

Unsere Politik ist: überhaupt keine Politik in dieses Heft! Reine sachliche und fachliche Information. Es heißt in unseren Statuten „open-mindedness“ und „non-confidential information“, also das, was jeder verantworten kann. Wir sind der Auffassung, daß ein Austausch von Forschungsergebnissen die Sache ein bißchen entpolitisiert, entemotionalisiert. Die Politiker und die Verhandler tun gut daran, den Experten zuzuhören. Wenn man konkrete Fakten hat, hat das auch Auswirkungen auf das Verhandlungsklima. Fakten schaffen Vertrauen, und man hat eine andere Glaubwürdigkeit, als wenn der eine sagt: „Wir haben Euch so viel zurückgegeben!“ und der andere: „Stimmt gar nicht!“ Die andere Aufgabe ist, für den Informationsfluß zu sorgen. Das ist sehr wichtig, denn, wenn keiner was weiß, entstehen auch ganz falsche Bilder. Das Informationsbedürfnis ist unheimlich groß, weil die Experten nur über die Zeitungsartikel – das soll keine Beleidigung sein – informiert werden.

In den Medien wird der Eindruck erweckt, daß das Problem Beutekunst ein deutsch-russisches sei ...

Das ist nur ein Teil des Ganzen. Das ist ein europäisches Problem. Es betrifft Deutschland und Polen, Deutschland und Frankreich, Frankreich und Rußland, Belgien und Rußland. Das geht kreuz und quer.

In Bremen assoziiert man mit Kulturgutverlust immer gleich Wolfgang Eichwede ...

Er ist sicherlich eine sehr wichtige Figur. Aber ganz wesentlich Helga Trüpel hat dieses Thema gepusht. Und Herr Opper, was überhaupt nicht wahrgenommen wird. Herr Opper hat für Bremen sehr viel gemacht; ihm ist es auch zu verdanken, daß die Koordinierungsstelle hier ist.

Das Internet wird gern als demokratische, weil unzensierte und preiswerte Kommunikationsform gepriesen. „Spoils of War“ ist ein low-budget-Produkt, das dennoch klassisch auf Papierbasis erscheint. Böte sich das Internet – bei knapper Kasse wie ja auch der Ihrigen – nicht geradezu an als Austauschmedium der Kriegsbeute-Experten?

Ich bin kein Internet-Fan. Nicht jeder, der in unserer Verteilerliste ist, hat einen Zugang zum Internet. Wir haben keinen. Wir sind alle Freunde von Papier. Das ist etwas, was man mitnehmen kann zu Konferenzen, unterwegs lesen oder kopieren. Außerdem kostet das Vorhalten der Texte im Internet auch Geld.

Sie sitzen im „Editorial board“ von „Spoils of War“. Wer noch?

Das Editorial Board bestand bislang aus vier Leuten, in der nächsten Ausgabe aus sechs: Polen und Rußland kommen mit dazu, das ist für uns ganz wichtig. Da haben wir ein Ost-West-Gleichgewicht – und Männer-Frauen auch, nicht ganz unbeabsichtigt.

Die anderen Mitglieder kommen aus den Niederlanden, Belgien und Ungarn. Wie koordinieren Sie das Inhaltliche?

Wir treffen uns zwei Monate vor Erscheinungsdatum und besprechen, wer was vorliegen hat. Vorschläge müssen die Billigung des gesamten Editorial Board finden.

Eine Hürde für die Zusammenarbeit?

Das war bislang nie ein Problem.

Wie kommen Sie an die Beiträge?

Ganz unterschiedlich. Wichtig sind für uns immer die „country reports“, Bibliographien, „latest news“ und Restitution. Bei „Archiv“ und „special reports“ schicken uns die Leute Beiträge, oder wir fragen ganz gezielt nach. Wir sind noch in der Entwicklung. Wir hoffen, daß die Leute uns mehr aus eigener Initiative zuschicken.

Zahlt die Koordinierungsstelle den Druck von „Spoils of war“?

Es gibt keinen Extra-Etat. Das knapsen wir uns ab. Die Druckkosten vom zweiten Heft haben Belgien und die Niederlande getragen.

Wann erscheint die nächste Ausgabe?

Am 15. Dezember. Toi, toi, toi.

Ist das nicht sicher?

Doch, aber oft waren wir einen Monat später als angekündigt.

Fragen: Alexander Musik