Fenster weit auf, Klappe zu

■ Neue Rundfunkgesetze sind fertig: Sendezeit für Unabhängige länger als geplant

Zum Schluß, sagt Alexander Kluge, hätten sich die Landesregierungen doch gegen die „Veralberung ihres eigenen Kompromisses“ entschieden. Der Filmemacher und Fernsehproduzent konnte gestern guter Dinge in seinen ersten Arbeitstag nach dem Urlaub gehen, nachdem sich die Staatskanzleichefs der Länder in der Nacht auf klare Regelungen für unabhängige Sendefenster in den künftigen Rundfunkgesetzen geeinigt hatten.

Solche Fenster, wie sie Kluges Firma dctp bislang für Sat.1 und RTL produziert, werden künftig größer: Knapp viereinhalb Stunden Sendezeit pro Woche, beschlossen die Chefs der Regierungszentralen, müssen Sat.1 und RTL künftig an „Unabhängige“ abgeben. Diese beiden erreichen derzeit die für die Fenstervorschrift vorgesehenen zehn Prozent Marktanteil. Streit hatte es vor allem darüber gegeben, wieviel davon in der abendlichen Hauptsendezeit liegen muß. Denn nach dem Kompromiß der Ministerpräsidenten von Anfang Juli hatten die Lobbyisten der Privatsender und die bayrische Staatsregierung massiv versucht, unabhängige Sendungen in der Prime time zu verhindern: Sie wollten Regionalsendungen als solche anrechnen. Das ist nun vom Tisch. Sogar 75 statt der bisher geplanten 60 Minuten Fensterzeit soll es jetzt pro Woche in der Prime time geben (welche nun von 19 Uhr bis 22.30 dauert).

Geeinigt hat man sich auch über das Auswahlverfahren für die Fensterveranstalter: Die Landesmedienanstalt schreibt die Fensterlizenz aus; die eingegangenen Anträge prüft sie dann auf Fensterwürdigkeit und erörtert sie anschließend mit dem Hauptveranstalter „mit dem Ziel einer Lösung“. Gibt es eine solche nicht, sucht sich der Sender drei Fensterkandidaten aus, von denen wiederum die Medienanstalt den auswählt, dem sie die Lizenz gibt. Der „Unabhängige“ muß sich dann mit dem Sender auf eine Finanzierung einigen – welcher Anteil der Werbeeinnahmen ihm zustehen, läßt der Staatsvertragsentwurf offen.

Die Fenster sehen Medienrechtler wie der Bielefelder Jurist Martin Stock als die „letzte Bastion“ der Vielfaltssicherung in den neuen Rundfunkgesetzen an. Daß an diesem Punkt die Dumpingkampagne der TV-Konzerne nicht verfing, dürfte viel mit dem späten Schrecken der Medienpolitiker über die Ereignisse der letzten Wochen zu tun haben. Besonders die NRW-Regierung, die stets den Teufel Bertelsmann zur Austreibung des Beelzebubs Kirch gezogen hatte, mußte erschreckt mit ansehen, wie die Gütersloher beim Digitalfernsehen zu Kirch ins Boot stiegen. Wenn sie den Aufweichungsversuchen weiter folgen würden, hatten einige SPD-geführte Staatskanzleien am Montag abend deutlich gemacht, bekämen sie Probleme, die Dokumente im Herbst durch ihre Landesparlamente zu bekommen. Und dann könnten die neuen Rundfunkregeln nicht wie geplant Anfang 1997 in Kraft treten.

Noch in einem weiteren Punkt haben sich die SPD-Länder in München durchgesetzt: In den Gebührenstaatsvertrag über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fügten sie einen Passus ein, nach dem die „Verpflichtung zur Ausstrahlung des ARD-Gemeinschaftsprogrammes erhalten bleiben“ soll. Diese war durch eine Protokollerklärung von Sachsen und Bayern nach 1999 fraglich erschienen. Lutz Meier