Verhüten statt vergüten

■ Neu im GVZ: ein LKW-Simulator-Zentrum / Wie wirtschaftlich fährt der Wirtschaftssenator?

Gestern mit dem alten Trucker Hartmut Perschau auf dem Bock eines Vierzigtonners. Der 400-PS-MAN quält sich durchs Gebirge. Die zentrale Frage: Fährt der Wirtschaftssenator wirklich wirtschaftlich? Nach 2,3 Kilometern Landstraße dann das dramatische Resultat: Perschau hat satte 131 Liter Sprit pro 100 Kilomter verheizt. Darüberhinaus war auch das verzweifelte Rühren im 16-Gang-Getriebe nicht folgenlos: Es krachte mehrfach entsetzlich. Da muß aber noch reichlich nachgeschult werden!

Nachschulung: Perschau war der ideale Vorzeigekandidat, um die Notwendigkeit der neuen Anlage vorzuführen. Der Wirtschaftssenator weihte das weltweit zweite Simulator-Trainingszentrum für Trucker ein. Die Kölner Firma ASF hat sich auf dem Gelände des Güterverkehrszentrums (GVZ) breitgemacht, schon weil dort die potentielle Kundschaft nur so ein und aus geht: Täglich verkehren hier 3.500 bis 4.000 LKW; 50 Speditionen sind inzwischen ansässig, 100 sollen es einst werden. An drei Simulatoren (Stückpreis 2 Millionen) können jährlich 3.000 Fahrer trainiert werden, den Fuhrunternehmer kostet das 1.500 Mark am Tag. Im Vergleich: Ein Unfall, der 2.000 Mark kostet, gilt als Bagatelle.

Drei abgesägte MAN-Fahrerhäuser stehen in einem abgedunkelten Raum auf beweglichen Stelzen. In einer Kiste sitzt der Wirtschaftssenator und schwitzt. Er hat zwar den LKW-Führerschein, der ist aber dreißig Jahre alt und vom Bund. Der Motor heult, die Kiste wackelt, schlimmstenfalls kann sie sich fast auf die Seite legen. Durch die Windschutzscheibe fällt der Blick auf eine anheimelnde Berglandschaft, Tannen, grüne Matten, Felsen. Hinter einer Kurve plötzlich ein Stau. Vollbremsung. Abgewürgt.

Was man hört, was man sieht – alles ist virtuell. Alles ist Produkt eines Hochleistungs-Grafikrechners namens Onyx Reality Engine. Der kann nicht nur eine Landschaft mit Verkehrsgeschehen auf eine gekrümmte Leinwand werfen, sondern auch „autonome“ Verkehrsteilnehmer erfinden. Plötzlich tauchen Raser und Drängler auf; der Wirtschaftssenator zum Beispiel wurde von einem Kerl in einem weißen PKW brutal ausgebremst. Die potentiellen Unfallgegner reagieren auch emotional: Wenn man selbst zu dicht auffährt, kann es passieren, daß der Vordermann aggressiv wird. In der anschließenden Diskussion der absolvierten Simulation kann man sich mal in den Vordermann hineinversetzen – der Computer zeigt, wie der andere die Sache erlebte.

Die Simulation funktioniert. Zwar hat man immer das Gefühl, man bräuchte eine Brille, weil das Bild leicht unscharf ist. Und wenn man zu hektisch lenkt, schaukelt die „Außenwelt“ so, daß man seekrank wird. Doch immerhin ist die Simulation so überzeugend, daß man regelrecht Angst hat, mal so aus Spaß in den Gegenverkehr zu braten. Fürs Fernsehen sollte neulich ein altgedienter Trucker einen Crash provozieren – er fing an zu zittern, wurde kalkweiß und brachte es nicht übers Herz.

Nebelbänke; Auto kaputt; Selbstmordkandidaten, die einem 40-Tonner die Vorfahrt nehmen: alles simulierbar. Die Fahrer sollen sicherer werden und – billiger fahren. ASF behauptet, daß Trucker nach der Schulung dieselschonender (8% weniger) und relaxter fahren und besser mit dem Material umgehen. Hinter ASF steht übrigens eine Versicherung (Motto: „Schaden verhüten statt vergüten“). Eine andere Versicherung, der HDI, spezialisiert auf ganze Fahrzeugflotten im industriellen Bereich, möchte gezielt schwarze Schafe zur Nachschulung veranlassen und winkt mit Rabatten. ASF seinerseits sieht eine große Zukunft auf sich zukommen, wenn der Gesetzgeber erst einmal kapiert hat, daß die Simulatorschulung unbedingt Bestandteil der regulären Fahrerausbildung werden muß.

Und warum, fragt sich verständlicherweise der Hamburger, warum ausgerechnet Bremen? Obersimulator Möller: „Hier hat man am schnellsten und am unbürokratischsten das attraktivste Angebot vorgelegt.“ Ein Antrag auf Bremer Investitionsförderung stehe kurz vor der Entscheidung. „Ideell und materiell förderungswürdig,“ befindet Hartmut Perschau. Der alte Trucker. BuS