■ Querspalte
: Männer können nicht reden

Heinz-Werner Arens scheint die Ohren voll zu haben vom abgenudelten Diktiermaschinensound seiner Kollegen. Um wieder ein bißchen Leben (ein bißchen Liebe?) in die Bude zu bringen, verbot der Präsident des schleswig-holsteinischen Landtags jetzt die emotionslose Ableserei von ausformulierten Skripten. Im Rahmen der Aktuellen Stunde soll wieder frei von der Leber weg miteinander gesprochen, vielleicht sogar geplaudert werden. Entfremdung, Distanz und Kälte, das mag sich der 57jährige Arens vielleicht verdeutlicht haben, durchziehen wohl das Internet, im Landtag sollte jedoch eine saftige Portion human touch nicht fehlen. Und schreit der Tagesordnungspunkt „Aktuelle Stunde“ nicht geradezu nach Flexibilität und Offenheit, nach Spontaneität und Stimmung, nach fröhlichem Parlando und diesem und jenem?

Die bange Frage lautet nun allerdings, ob das erzwungene freie Reden auch ins Fließen geraten wird. Schließlich ist hinlänglich bekannt, daß Männer nicht einmal vernünftig telefonieren können. Was werden sie sich ohne die üblichen Dammbrecher wie Astra, Holsten und Fußball schon groß zu sagen haben? Wird nicht Heide Simonis sie alle in die Tasche stecken? Die Ministerpräsidentin beherrscht es nämlich sehr, das gepflegte An-die- Wand-Reden, und hat nicht nur einmal bewiesen, daß, wie man von Kurt Tucholsky weiß, Sprache eine Waffe und eben kein Kosmetikpad ist.

Die Weichen dafür, sich wenigstens eine therapeutische Stunde lang regelmäßig zoffen und auch wieder vertragen zu können, hat Parlamentarier Arens jedenfalls gestellt. Und wer weiß, wenn mann schon früher gezwungen worden wäre, sich auch im Landtag zwischenmenschlich mal tüchtig auszuquatschen, wäre vielleicht so manches Dramolett vereitelt worden und Björn Engholm würde noch immer gelassen und oppositionsführend an seiner Pfeife nuckeln. Was wir uns deshalb merken sollten? Gefühle müssen – und daran führt nun wirklich kein Weg vorbei – raus.

Claudia Thomsen