Wunderbarer Wildwuchs

Blumenwiese statt englischem Rasen, Heckenrosen statt Jägerzaun: Ein Ökogarten sieht nicht nur gut aus, er macht auch Spaß  ■ Von Vera Stadie

Das Hauptargument für den Ökogarten? Er macht mehr Spaß. In naturnahen Gärten gibt es viel mehr zu entdecken und zu erleben als in den „mit der Nagelschere geschnittenen“. Verwandelt man den kurzgeschorenen Rasen in eine Wiese, blüht es jeden Tag in neuen Farben, und ständig kommen neue Insekten vorbeigesummt. So eine Blumenwiese entwickelt sich auf nährstoffarmem Boden ganz von allein, wenn man das Rasenmähen einstellt. GärtnerInnen, die darauf nicht warten wollen, können mit Samenmischungen nachhelfen. Eine solche Wiese sieht nicht nur gut aus, sie spart auch Arbeit, denn sie muß nur zweimal im Jahr, jeweils nach der Hauptblüte, gemäht werden. Eine Kompromißlösung für alle, die auf Rasen nicht verzichten möchten: Der meistgenutzte Teil wird auch weiterhin gemäht, die abgelegenen Bereiche dürfen zur Wiese werden.

Überhaupt ist der beste und billigste Assistent im Garten oft die Natur. Erklären Sie doch einfach Ihren Garten zu Ihrem persönlichen Naturschutzgebiet und entscheiden sich bei Neupflanzungen für einheimische Wildpflanzen. Fast alle Wildgehölze sind billig in der Anschaffung. Da sie außerdem besonders schnell wachsen, kann man beim Einkauf die preisgünstigen kleineren Größen wählen. Gut geeignet ist eine Höhe von gut einem Meter. Naturnahes Gärtnern ist also auch kostengünstiges Gärtnern.

Weitere Pluspunkte für die hiesigen Pflanzen: Sie sind im Gegensatz zu den relativ krankheits- und schädlingsanfälligen exotischen Importgewächsen fast unverwüstlich und brauchen keine Pestizide. Und sie sind Lebensraum und Nahrungsgrundlage für die hiesige Tierwelt. Die Pflanzen und Tiere unserer Region haben sich im Laufe ihrer langen Entwicklung aufeinander eingestellt und spezialisiert. Mit Importgewächsen können einheimische Tiere nichts anfangen: So lebt zum Beispiel auf der Platane nur eine Insektenart, die Eiche hingegen beherbergt 300 Arten.

Ideal für Mensch und Tier – und eine lebende Alternative zum Jäger- oder Maschendrahtzaun – sind freiwachsende Hecken aus Berberitze, Heckenkirsche oder Heckenrose. Der natürliche Wind- und Sichtschutz ist Lebensraum für zahlreiche Insekten und bevorzugter Nist- und Brutplatz für Vögel – deshalb dürfen Hecken auch vom 1. März bis zum 31. September nicht geschnitten, gerodet oder gar zerstört werden.

Wahre Wunder erleben GärtnerInnen, die eine Ecke des Gartens dem Wildwuchs überlassen. Die eigenwillige Schönheit der Pflanzen, die sich dort spontan ansiedeln – zum Beispiel Weidenröschen, Goldrute, Rainfarn, Beifuß, Königskerze oder Waldrebe – übertrifft nicht selten die von gezüchteten Zierpflanzen. Außerdem locken sie Schmetterlinge, Bienen und Hummeln in den Garten. In einer anderen Ecke des Ökogartens bietet ein Holz- oder Reisighaufen Igeln und anderen Tieren Unterschlupf.

Ums Düngen kommen auch ÖkogärtnerInnen manchmal nicht herum. Ernte, Rasenmähen und der Heckenschnitt entziehen dem Boden Nährstoffe, sie müssen durch Düngung ersetzt werden, damit die Fruchtbarkeit nicht nachläßt. Im Naturgarten bieten sich Gründüngung, Hornmehle und Kompost an. Der Kompost ist das Herzstück des biologischen Gartenbaus. Praktisch alle Garten- und Küchenabfälle lassen sich hier in fruchtbare Gartenerde verwandeln. Gut zerkleinertes Material verrottet je nach Jahreszeit in vier bis neun Monaten und kann dann als Dünger wieder ausgebracht werden. Positiver Nebeneffekt: Der Komposthaufen entlastet auch die Mülldeponien und -verbrennungsanlagen.

Kompost ist die Alternative zu Torf und chemischem Dünger. Torf gehört ins Moor und wird als Bodenverbesserungsmittel sowieso stark überschätzt. Er enthält keine Nährstoffe und beeinflußt außerdem den Wasserhaushalt ungünstig. Chemische Düngemittel sollten allenfalls dann eingesetzt werden, wenn eine Bodenanalyse einen bestimmten Mangel ergeben hat. Die meisten Gärten sind aber sowieso überdüngt – vor allem mit Stickstoff. Mineralische Dünger bewirken allzu schnelles Wachstum, was die Widerstandskraft der Pflanzen herabsetzt. Außerdem gefährden sie die Bodenlebewesen und belasten das Grundwasser. Das gilt auch für chemische Pflanzenschutzmittel. Die Giftspritze bringt die Natur aus dem Gleichgewicht: Sie tötet nicht nur die Blattläuse, sondern auch die Marienkäfer, die sich von den Läusen ernähren und andere „Nützlinge“. Es gibt genügend wirksame Formen der biologischen Schädlingsbekämpfung.

Die Wege durch den Naturgarten sind nicht geteert oder betoniert, sie bestehen aus Holz, Baumrinde oder Schrittplatten aus Natursteinen, gestampfter Erde oder Kies. Das Regenwasser kann versickern, und in den Fugen und Ritzen dürfen sich Pflanzen ansiedeln.

Die Krönung des Ökogartens ist ein Teich. Auch das kleinste Gewässer wird in kürzester Zeit von Tieren und Pflanzen besiedelt, eine Naturoase mit bizarren Gewächsen, tanzenden Wasserläufern, einem Froschkonzert oder jagenden Libellen über der glitzernden Wasseroberfläche.

Informationen zum Ökogarten:

Broschüren des BUND (erhältlich beim Landesverband Hamburg, Lange Reihe 29, 20099 Hamburg, ): „Stauden und Sträucher für naturnahe Gärten“, „Die Gartenwiese“, „Lebendige Teiche und Tümpel“, „Anlage eines naturnahen Gartenteiches“, „Insekten in Gärten“, „Der richtige Obstbaum“, „Naturschutz beginnt im Garten“, „Städtische Vorgärten naturnah gestaltet“.

Die Broschüre „Der umweltfreundliche Kleingarten“ ist zu bekommen bei der Umweltbehörde, Billstraße 84, 20539 Hamburg, .

Im Umweltzentrum Karlshöhe, Karlshöhe 60 d, 22175 Hamburg, sind 17 vom Arbeitskreis Amphibien, Reptilien und Biotopschutz des BUND und Naturschutzbundes angelegte Tümpel und Teiche unterschiedlicher Größe und Bauart (Folien, Tonziegel, Tonpulver) zu besichtigen. Das Umweltzentrum bietet auch Teichbauseminare an.