: „Wo brennt's denn?“
■ Feuer im Krankenhaus: Eine Übung mit Feuerwehrleuten, RKK-Bediensteten und den Patienten von Station 3 / Von Todesfallen und aufblasbaren Extremitätenschienen
Gestern im Rotes-Kreuz-Krankenhaus, Punkt zehn Uhr, Station 3B (Chirurgie): Die stellvertretende Stationsschwester Kirsten schlägt die Scheibe des Feuermelders ein. Später wird sie berichten, daß sie „weiche Knie“ hatte. Die Feuermeldung geht bei Wache 4 ein. Gleichzeitig kommt ein Anruf von der Pflegeleitung: Ein Geräteraum brennt! Siebzehn Feuerwehrleute springen in ihre Montur, starten zwei Löschzüge und rasen los. Fünf Minuten später schiebt sich am Krankenhaus eine Drehleiter Richtung dritte Etage. Ein riesiger, dicker Feuerwehrmann, Schlauch in der Hand, springt durchs Fenster: „Wo brennt's denn?“
Gestern morgen im RKK war Imagination gefragt. Nichts brannte, alles war Übung. Angeblich wußte niemand im Krankenhaus Bescheid, damit sich alles real gestalte. Leider hatte aber ein Delmenhorster Lokalblatt den streng geheim gehaltenen Termin ausgeplaudert, und so kam es, daß die vergipsten und bandagierten Patienten der 3B schon evakuiert waren, bevor die Feuerwehr die Notwendigkeit erkannt hatte. Martialisch trampelten schwitzende Männer, unter Gasmasken röchelnd, durch die Flure von 3B. Geschirre klirrten, Schläuche wurden ausgerollt und angeschlossen. Vor einem Zimmer gingen die Jungs in Deckung, als verberge sich hinter der Tür ein Massenmörder. Tür auf – C-Rohr rein. Als das imaginäre Feuer gelöscht war, stellte sich heraus, daß man in den falschen Raum eingedrungen war. Sowas kommt vor, aber meist nur bei einem virtuellen Brand. Im Einsatzzentrum, einem Raum mit einem roten Telefon, wurde derweil gespielt: Wir evakuieren in andere Krankenhäuser. Wir versorgen Rauchvergiftete. Wir stellen einen OP zur Verfügung, falls ein Feuerwehrmann irgendwo runterfällt.
Feuermanagement, Mischluft abstellen, Abluft abstellen, Strom abstellen – ein Bunch von Maßnahmen. So spricht Herr Sliwka, im Krankenhaus für den Service zuständig, für den angestrebten „Hotelstandard“, also auch dafür, daß niemand in Flammen umkommt. „Aufzüge sind Todesfallen,“ weiß Sliwka. Wenn's brennt, drückt die Frau an der Pforte auf eine Taste, dann rauschen alle Aufzüge in Ebene null und rühren sich nicht mehr. Verwaltung, Haustechnik, Pflegepersonal, Ärzte:Alle, die einen Pieper haben, werden angepiept und gehen in Stellung. Alle nötigen Handgriffe sind im (roten) Katastrophenplan fixiert: Patienten werden vorzeitig entlassen; der Schockraum wird besetzt; es wird ein Raum für „hoffnungslose Patienten“ eingerichtet. Besucher werden auf ein Ende der Besuchszeit hingewiesen. Aufblasbare Extremitätenschienen werden bereitgehalten. Feste Laken für den Abtransport von Bettlägerigen durchs Treppenhaus. Im Einsatzzentrum wird jede Aktion auf einer Flipcard dokumentiert. Eine Notfallkiste enthält 100 Klarsichthüllen (gelocht), 100 linierte Karteikarten, Stifte.
Um 10 Uhr 20 ist der Spuk vorbei, was man daran merkt, daß die Aufzüge wieder funktionieren. Manöverkritik. Die Feuerwehr stellt fest, daß nicht immer alle Brandabschnittstüren geschlossen waren. Man erinnert heutzutage gern an den Flughafenbrand von Düsseldorf. Sie stellt aber auch fest, daß manche Türen gar nicht zu schließen sind, weil die Schläuche nicht gequetscht werden dürfen. Ansonsten konstatiert der Einsatzleiter, Brandamtmann Friedrich Rowohlt (jawoll: verwandt und verschwägert!): „Zur vollsten Zufriedenheit gelaufen.“
Brennen Krankenhäuser überhaupt? Ja. Letztes Jahr in Süddeutschland gab es eine ganze Serie. Und auch im RKK passierte der Ernstfall. Ein Patient, dem kein Taxi für den Nachhauseweg finanziert wurde, hat einmal die Vorhänge im Aufenthaltsraum angezündet. Zum Abschied sagten die Feuerwehrleute zwar „Auf Wiedersehen“, aber sie meinten nur die nächste Übung. BuS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen