Das Ärgernis des Lärms

■ Hamburger Opernwoche: Über(s)teuerte konzertante „Tosca“ in der Musikhalle

Nach Carmen sollte sie ein weiteres Highlight der Hamburger Opernwoche werden: Puccinis Tosca in einer – so der Veranstalter „wunderbaren Besetzung“. Dann kam aber doch alles ganz anders. Der Jubel des Publikums ist bei der Opernwoche bereits zum Ritual geworden; an der Lautstärke der Bavo-Rufe ließt sich also auch hier die Qualität der Aufführung nicht ablesen.

Des Debakels Schuld trägt Dirigent Eugene Kohn. Mit wilden, Sportlichkeit suggerierenden Gesten hüpfte er an seinem Pult herum und spornte die Hamburger Symphoniker zu einer Lautstärke an, daß man fürchten mußte, es würde einem die Trommelfelle wegpusten. Besonders schlimm wurde es schon am Ende des ersten Aktes: Pathetisch, schwerfällig und höchstdramatisch schallte und knallte den Zuhörern die Musik entgegen, und die Kanonenschüsse klangen wirklich, als würde hinter dem Podium die Musikhalle abgerissen. Zugegeben, Puccinis Oper ist dramatisch – wenn man sie aber so spielt, liegt Tosca bleischwer im Magen. Der zweite Akt verkam zu einem Dauer-forte, und wurde damit zu einem einzigen Solo für Eva Marton (Tosca), obwohl teilweise selbst ihre hochdramatischen Spitzentöne im Orchestersumpf versackten; von Sherril Milnes, der für Juan Pons als Scarpia eingesprungen war, ganz zu schweigen: Er war ab einem gewissen Punkt schlichtweg nicht mehr zu hören. Oper zum Abgewöhnen also, wenn auch von erlesener sängerischer Qualität. Denn das bei allem Lärm doch noch innere Spannung blieb, lag an den ausnahmslos guten Sängern, allen voran die Marton. Ihre Tosca ist keine zickige Diva, sondern eine leidenschaftliche und gleichzeitig verletzliche Frau. Schwierigkeiten mit der exponierten Höhe fallen dabei kaum ins Gewicht und liegen vermutlich an den Strapazen, die der Dirigent den Stimmbändern der Sopranistin zumutete. Keith Ikaia Purdy klang ein wenig heiser (wen wundert's!), besaß aber auch ohne Kostüm und Maske genug dämonische Ausstrahlung, um den Bösewicht glaubhaft zu machen. Als Mesner zeigte Carlos Feller komödiantisches Talent und frischen Stimmklang. Nicht auf der Besetzungsliste stand die junge Nadina Schreyer von den Hamburger Alsterspatzen, die mit klarem Sopran die kurze Partie des jungen Hirten sang. Einige wenige Requisiten durften auch mitspielen, brachten aber statt der erhofften Dramatik eher unfreiwillige Komik ins Spiel.

Es ist bewundernswert, daß Marton und Ikaia Purdy den dritten Akt ohne bemerkenswerte stimmliche Ermüdungserscheinungen überstanden. Am Schluß bebte der Boden. Musik als Explosion – im negativen Sinn.

Christian Carsten