Rote Khmer können auf Generalamnestie hoffen

■ In Kambodscha will König Sihanouk anläßlich seines 74. Geburtstages seinen Landsleuten vergeben. Hoher Überläufer Pol Pots gründet neue politische Partei

Bangkok (taz) – Kambodschas König Sihanouk hat am Wochenende eine Generalamnestie für die Roten Khmer angekündigt, die an seinem 74. Geburtstag Ende Oktober stattfinden soll. Bedingung: Das Parlament muß mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Allerdings blieb unklar, ob auch die Führer der Roten Khmer, unter deren Herrschaft 1975 bis 1979 über eine Million Menschen umkamen, in den Genuß des Gnadenerweises kommen.

Am vergangenen Freitag hatten die beiden Premierminister den König um eine Amnestie für den führenden Rote-Khmer-Funktionär Ieng Sary gebeten, der mit der Parteispitze gebrochen hat.

Sihanouk hat unter den Roten Khmer zahlreiche Kinder und Enkel verloren. In den 80er Jahren war der König jedoch mit den Roten Khmer gegen die von Vietnam eingesetzte Regierung Kambodschas verbündet.

Ieng Sary, als ehemaliger Außenminister und Vizepremier für das Massensterben unter dem Regime der Roten Khmer verantwortlich, verhandelt gegenwärtig mit der kambodschanischen Regierung über die Bedingungen eines Seitenwechsels. Was genau der 66jährige fordert, ist nicht bekannt. Allem Anschein nach aber will er Straffreiheit und die Kontrolle über die von seinen Militärs bislang gehaltenen rohstoffreichen Regionen ebenso wie das Recht, sich im ganzen Land politisch zu betätigen.

Vor zwei Wochen war bekanntgeworden, daß Ieng Sary sich zusammen mit zwei Militärchefs von der alten Führung abgespalten hat. Seine Fraktion nenne sich nun „Democratic National United Movement“ und unterscheide sich von Pol Pots „Demokratic Kampuchea“ dadurch, daß sie wirklich „demokratisch“ sei und mit dem Kommunismus gebrochen habe. In der Praxis bedeutet dies, daß die Dorfbewohner in Ieng Sarys Gebieten ihren Besitz – Fahrräder, Mopeds, Karren – behalten und kleine Geschäfte betreiben dürfen. Die Führung der Roten Khmer hat ihre Einnahmen von über 10 Millionen Dollar monatlich aus Rubin-, Smaragd- und Edelholzhandel der Region Pailin mit Thailand erzielt.

Für die alte Rote-Khmer-Spitze um Pol Pot ist der Verlust ihrer wichtigsten Einnahmequelle ein herber Schlag. Die jüngsten Nachrichten aus dem Inneren der auf strikte Geheimhaltung bedachten Partei ergeben ein Bild der Verwirrung: Bereits im Juli, noch bevor der Bruch mit Ieng Sary bekannt wurde, hatte die Führung der Roten Khmer einen Journalisten der Hongkonger Zeitschrift Far Eastern Economic Review kontaktiert, der ihre Botschaft an die Außenwelt bringen sollte: Die Roten Khmer seien demokratisch und wollten gemeinsam mit den USA und dem Westen gegen eine vietnamesische Verschwörung zur Vernichtung Kambodschas kämpfen.

Bemerkenswert an dieser Mitteilung war nicht die Beschwörung des „vietnamesischen Komplotts“ – das gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire der Roten- Khmer-Propaganda. Auffällig war vielmehr, wie der Sprecher der Roten Khmer, Mak Ben, über die Führung seiner Organisation sprach. Pol Pot sei zwar nicht tot, aber sein Einfluß sei gering. Die alten Führer „sind nicht mehr im politischen Spiel“, sagte er, „sie sind erledigt.“ Jetzt sei eine neue Gruppe am Ruder, die einer „liberalen Demokratie“ folge und dem Kommunismus entsage, um an der Seite der westlichen Welt und an der Seite der USA zu stehen. Jutta Lietsch